Ringen um Strukturen im Vordergrund

Tag 2 der Synodalversammlung: Das Scheitern stand im Raum

Veröffentlicht am 31.01.2020 um 20:49 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Am zweiten Tag der ersten Synodalversammlung wurde vor allem eins: viel gesprochen, diskutiert und anschließend abgestimmt. Kritik hagelte es von verschiedenen Seiten – und an einigen Stellen gab es sogar Angst.

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Scheitert der Reformprozess der Kirche in Deutschland schon während der ersten Synodalversammlung? Heute Mittag stand diese Möglichkeit jedenfalls für einen kurzen Augenblick im Raum. Denn Kardinal Reinhard Marx hatte in der laufenden Diskussion um eine Änderung der von den Teilnehmern noch zu verabschiedenden Geschäftsordnung ungefragt das Wort ergriffen. Mehrere Synodale hatten einen Antrag gestellt, einige Punkte der Satzung auf den Prüfstand zu stellen, die vor einigen Monaten von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Laien-Gremium ZdK beschlossen worden war. "Wenn wir die Satzung nun angehen, ist der Synodale Weg hier und heute erst einmal gescheitert", warnte Marx und die Bestimmtheit in seiner Stimme offenbarte, wie sehr er sich davor fürchtete. Denn der Prozess der Entstehung der "Verfassung" des Synodalen Wegs sei "extrem kompliziert" gewesen, wie ZdK-Präsident Thomas Sternberg in einer ebenso emotionalen Wortmeldung später betonte. Die Angst vor einem Misserfolg des Reformprozesses gleich zu Beginn war auch bei ihm zu spüren.

Doch nicht nur bei der langen Diskussion um die Geschäftsordnung der Synodalversammlung ging es um Angst. Morgens hatten viele Teilnehmer die Möglichkeit genutzt, ihre Erwartungen an den Synodalen Weg zu formulieren. Schwester Philippa Rath aus der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim sprach bei dieser Gelegenheit von einem "großen Angstpotential" innerhalb der Kirche. Bei der Begleitung von Gläubigen und Pilgern habe sie immer wieder Menschen kennengelernt, die sich vor der Kirche fürchteten – sei es wegen Missbrauchserfahrungen oder der Befürchtung kirchlicher Mitarbeiter, ihre Arbeit zu verlieren, falls sie eine von der Lehre der Amtskirche abweichende Haltung einnähmen. Zuvor hatte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer die Wissenschaftlichkeit der kirchlichen Missbrauchsstudie in Zweifel gezogen – und damit den Anlass für den Synodalen Weg infrage gestellt. Einige Teilnehmer sahen darin auch einen fundamentalen Angriff auf die Legitimität des Reformprozesses überhaupt, zumal Voderholzer als dessen Kritiker gilt.

Rudolf Voderholzer im Frankfurter Bartholomäus-Dom
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Rudolf Voderholzer (m.), Bischof von Regensburg, beim Gottesdienst während der Synodalversammlung am 31. Januar 2020 im Frankfurter Dom Sankt Bartholomäus.

Die Teilnehmer der Synodalversammlung legten eine große Lust zur Diskussion an den Tag, sodass nach dem kontroversen Meinungsaustausch mit teilweise sehr persönlichen Statements, die Beschäftigung mit der Geschäftsordnung zu einem Ringen wurde, das mehrere Stunden in Anspruch nahm – obwohl dafür zuvor weniger als 60 Minuten eingeplant gewesen waren. So offenbarte eine Gruppe aus mehreren Versammlungsmitgliedern um den Bonner Stadtdechanten Wolfgang Picken und den Dominikaner Simon Hacker, dass es einige Teilnehmer gibt, die dem Synodalpräsidium Intransparenz und fehlende Beteiligungsmöglichkeiten vorwerfen. "Wir befürchten einen desintegrativen Effekt für die vielen Personen, die weder dem ZdK noch der DBK angehören", so Picken. In der Tat war die Frage, welche Teilnehmer zu welcher Institution gehörten oder von ihr benannt worden waren, ein wiederkehrendes Thema. Zu einer Auflösung der sogenannten "Versäulung" in ZdK- oder DBK-Mitglieder innerhalb der Versammlung drängte etwa Karin Kortmann, die dem Synodalpräsidium angehört. Alle Synodalen sollten sich als gleichberechtigte Mitglieder verstehen.

Die Synodalversammlung ging mit einigen Änderungen neue Wege, besonders für die Frauen. So wurde festgelegt, dass Beschlüsse an eine Zwei-Drittel-Mehrheit unter den Teilnehmerinnen gebunden werden können – eine Antwort auf das in der Satzung festgelegte Quorum von Bischöfen, die sich für einen Vorschlag aussprechen müssen, damit er angenommen wird. Diese Regelung war zuvor auch als Klerikalismus kritisiert worden, jedoch heute erneut vom Präsidium verteidigt, da er sich an der Realität der kirchlichen Entscheidungsgewalt orientiere. Auch wurde ein Vorstoß einer Gruppe von fünf konservativen Bischöfen um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki abgelehnt, der einen Ausschluss der medialen Öffentlichkeit bei bestimmten Punkten der Tagesordnung gefordert hatte. Selbst die sich konsequent am Alphabet orientierende Sitzordnung stellte gemessen an DBK- und ZdK-Gewohnheiten eine positive Neuerung dar. Denn sie verhinderte, dass sich auf der einen Seite des großen Saals des Frankfurter Dominikanerklosters, in dem die Versammlung tagt, nur Bischöfe und auf der anderen ausschließlich Laien befinden. So sitzt etwa ein Bischof neben einer Ordensschwester und eine Jugendliche neben einem alten Priester.

BDKJ: Sprache zu unverständlich

Unter den Antragsstellern für Veränderungen taten sich neben der Bischofsgruppe besonders einige der vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) berufenen Mitglieder hervor. Sie kritisierten die unverständliche Sprache der Geschäftsordnung und wiesen darauf hin, dass sich gehäuft lateinische Begriffe darin befinden. Das große Thema bei den Diskussionen war jedoch die Besetzung der Synodalforen. Viele Teilnehmer forderten, selbst bei den thematischen Arbeitsgruppen zu den vier Hauptfeldern des Synodalen Wegs mitarbeiten zu können. Gleichzeitig taten sie ihren Unmut über die in ihren Augen intransparente Erstellung der Mitgliedslisten kund. Die lange und zeitraubende Diskussion führte dazu, dass die Abstimmung über die Teilnehmer der Foren auf den letzten Tag der Versammlung vertagt wurde, verbunden mit mehr Zeit, um sich über die Vorgeschlagenen zu informieren. Außerdem kann sich nun jeder Synodale auf einer Liste zu einem Forum eintragen, in dem er gerne mitarbeiten würde – eine Regelung, die durch die Aufstockung der Teilnehmer an den Arbeitskreisen auf jeweils 35 Personen ermöglicht wurde. Gegen Abend fanden sich auf den ausgehängten Listen jedoch nicht mehr als eine Handvoll Namen.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Mit einem Gerät stimmen die Synodalen bei den Beratungen ab.

Unterbrochen wurden die oftmals hitzigen Beratungen durch Impulse der Geistlichen Begleiter des Reformprozesses, Maria Boxberg und Pater Bernd Hagenkord. Fußend auf der ignatianischen Spiritualität boten sie den Synodalen die Möglichkeit, ihre Erfahrungen in einen geistlichen Horizont zu stellen. Auch wenn nicht alle Teilnehmer dieses Angebot gleichermaßen annahmen, schlossen doch etliche Mitglieder ihre Augen, um in sich zu gehen. Auch humorvolle Momente lockerten den Sitzungsalltag auf. So hatte ein Änderungsvorschlag zur Geschäftsordnung gefordert, alle Teilnehmer ohne Titel wie Bischof, Pfarrer und Doktor anzusprechen – ein Zeichen des freiwilligen Abbaus von Macht. Birgit Aschmann, Professorin für Geschichte, bot daraufhin dem Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der die Sitzungsleitung inne hatte, ihren Titel an: "Ich gebe meine Professorin für Ihren Bischof!" Schallendes Lachen war danach nicht nur von Overbeck zu hören. Abgelehnt wurde der Antrag mit 60 Prozent an Nein-Stimmen trotzdem.

Auch wenn heute weniger Zeit für die inhaltliche Diskussion in der Synodalversammlung blieb und es zum gelegentlichen Schlagabtausch zwischen reformwilligen und bewahrenden Teilnehmern kam – ein Scheitern der Reformprozesses lässt der heutige Tag nicht vermuten. Denn nach der langwierigen Beschäftigung mit den Strukturen begannen die Mitglieder abends eine engagierte Auseinandersetzung mit dem Thema Macht in der Kirche. Ein Wille zur Veränderung war bei den Allermeisten zu erahnen.

Von Roland Müller