Lob für Synodalen Weg in Deutschland

Zulehner kritisiert fehlendes synodales Bewusstsein in Österreich

Veröffentlicht am 06.02.2020 um 10:51 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

Wien ‐ Der Synodale Weg in Deutschland sei "ein faszinierender Streit zwischen Ideologen und Hirten", lobt der Wiener Theologe Paul Zulehner. Doch wo bleibt ein ähnlicher Prozess in Österreich? Dort sei es derzeit "grabesstill" – obwohl es dringend Reformen bräuchte.

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Der Wiener Theologe Paul Zulehner (80) vermisst mit Blick auf den Synodalen Weg in Deutschland eine ähnliche Reformbewegung auch in Österreich. "Anders als in Deutschland ist es in Österreichs Kirche derzeit grabesstill", schrieb Zulehner am Mittwoch in seinem Blog. "Die Bewegung, welche in der Nachbarskirche ausgelöst wurde, hat nicht einmal in sanften Wellen die Kirche bei uns erreicht." Dabei herrsche in Österreich ein "dringendes Interesse an der Beendigung des überkommenen Feudalklerikalismus und der strukturellen Dauerdemütigung der Mitglieder des heiligen Gottesvolks", so Zulehner.

Die Reformdebatte der katholischen Kirche in Deutschland, den sogenannten Synodalen Weg, lobte Zulehner als "mutig und gut". Die erste Versammlung von Bischöfen und Laienvertretern am Wochenende in Frankfurt habe gezeigt, dass in der deutschen Kirche "ein faszinierender Streit zwischen Ideologen und Hirten" stattfinde. "Die Ideologen fragen nach der Sicherung der überkommenen Kirchengestalt (nicht der Kirche!); die anderen, ich nenne sie Hirten, suchen Wege, um dem Anliegen Jesu auch in unserer Zeit zu Gunsten der Menschen Gehör zu verschaffen", so der Theologe.

Streit "in den Hinterhöfen des Vatikan"

Dieser Streit spiele sich derzeit auch "in den Hinterhöfen des Vatikan" ab. Auch dort riefen Ideologen den Papst auf, die Tradition durch Bewahren zu schützen. Aber, so Zulehner: "Ideologen musealisieren die Tradition, Hirten versuchen, deren Lebenskraft aus den Fesseln von klerikalen Machtinteressen und überkommenden Gestaltungsformen zu entbinden."

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) hat aus Sicht Zulehners das "Grundschisma" zwischen Klerus und Laien nur halbherzig überbrückt. "Denn praktisch blieb alle darstellende und herstellende Macht bei den Bischöfen und ihren Priestern. Den Laien wurden zur Tröstung Gremien geschenkt", schreibt Zulehner, der selbst Priester ist. Kein katholischer Theologe wolle das Amt abschaffen. Doch der "strukturelle Kryptoklerikalismus" müsse überwunden werden. Als einen Weg schlägt Zulehner eine Art "Kirchenparlament" auf Bistumsebene vor, in dem alle Institutionen, die das Leben in Kirche und Gemeinden prägen, vertreten sein und gemeinsam mit den Bischöfen Entscheidungen treffen sollten.

Nach intensiver Debatte hatten die deutschen Bischöfe im Frühjahr 2019 einen verbindlichen Synodalen Weg beschlossen. Dabei soll es vor allem um die Themen Macht, Sexualmoral, Lebensform der Priester und die Rolle von Frauen in der Kirche gehen. Unter Mitarbeit von katholischen Laien und externen Experten wollen die Bischöfe ihre Positionen zu diesen Fragen klären. Der Missbrauchsskandal hatte die Kirche in eine Vertrauenskrise gestürzt, in der Rufe nach Reformen lauter wurden. (tmg/KNA)