Im Herzen Europas
Vor genau zehn Jahren, am 28. Juni 2003, veröffentlichte Papst Johannes Paul II. "Ecclesia in Europa" (Die Kirche in Europa), ein apostolisches Schreiben an die Völker Europas. Der Pontifex forderte die Kirche auf, Kraft zu schöpfen und zu Beginn des neuen Millenniums mutig ihren Platz im Herzen des europäischen Lebens zu behaupten. Die Kirche in Europa, so der Papst, müsse eine Kirche für Europa sein.
Schnittstelle für die täglichen Kontakte zwischen der Kirche und den EU-Institutionen ist die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) mit ihrem Sekretariat im Herzen des Brüsseler Europa-Viertels. Ziel der COMECE ist es, denjenigen, die sich für die Entwicklung der europäischen Integration einsetzen, zur Seite zu stehen.
Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem die Förderung und die Erläuterung der kirchlichen Soziallehre. Damit leistet sie einen Beitrag zum Aufbau eines Europas, in dem die individuellen Merkmale, Traditionen und Anliegen der Nationalstaaten wahrgenommen und geschützt werden (Subsidiarität), in dem sich aber auch alle gemeinsam für die Förderung des Wohles der Union als Ganzheit (Solidarität) einsetzen.
Festwoche für "Ecclesia in Europa"
Dieser Aufgabe kann die COMECE aber nicht alleine nachkommen. Im Laufe der Jahre hat sie in Brüssel und anderswo zahlreiche Freunde, Verbündete und Partner aus dem gesamten politischen Spektrum gewonnen. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung von "Ecclesia in Europa" möchte die COMECE "Danke" sagen.
Die Bischöfe haben ihre in Brüssel tätigen Mitarbeiter aufgefordert, eine Festwoche zu Ehren von "Ecclesia in Europa" auszurichten. Diese Festwoche, vom 24. bis 27. Juni, haben wir "Woche der Hoffnung" getauft. Die Bischöfe sind davon überzeugt, dass diese Festwoche den Menschen in diesen äußerst schwierigen Zeiten, in denen die Vision der europäischen Gründerväter durch die dramatischen Auswirkungen der Wirtschaftskrise, den wachsenden Nationalismus und Populismus sowie zunehmende Fremdenfeindlichkeit verloren gegangen ist, neue Hoffnung verleihen kann.
Vor fast 20 Jahren lancierte Jacques Delors die Suche nach "einer Seele für Europa". Mit der Festwoche hoffen wir, dem Aufruf von Jacques Delors Folge leisten zu können. Hierzu planen wir, den Blick auf eine Reihe von Heiligen, Seligen und christlichen Männern und Frauen zu lenken, die mit ihren Lehren oder durch ihr beispielhaftes Leben Zeugnis für die Überzeugungen und Werte abgelegt haben, die den Kern des europäischen Traumes bilden.
Auf dem Programm der Woche der Hoffnung stehen vier Gebetsfrühstücke. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stehen der selige Jerzy Popieluszko, die selige Hildegard Burjan, Christian de Cherge (ein in Algerien ermordeter Prior der Trappistengemeinde) sowie St. Pedro Poveda, ein spanischer Vorreiter des Laienapostolats.
Heilige laden zum Nachdenken ein
Zudem finden im COMECE-Sekretariat, einen Steinwurf vom Europäischen Parlament entfernt, vier Konferenzen statt. Auch hier stehen Heilige und andere Christen im Fokus, die durch ihr Leben für uns zum Vorbild geworden sind, darunter John Henry Newman und Hildegard von Bingen.
Die Auseinandersetzung mit diesen Persönlichkeiten im Rahmen dieser Konferenzen gibt uns den Schlüssel zum besseren Verständnis der Themen, die derzeit ganz oben auf der politischen Agenda der EU stehen: Bildung der Jugend, Unternehmensethik, Nachhaltigkeit und Freizügigkeit – sei es die von EU-Staatsbürgern oder von Migranten.
„Die Kirche steht im Dienste all derjenigen, die Europa eine Seele geben wollen.“
Abends sind in der Dominikanerkirche zwei Diskussionsveranstaltungen geplant. Der vor kurzem heiliggesprochene sizilianische Priester Don Pino Puglisi, der seinen Kampf gegen die Mafia mit dem Leben bezahlte, fordert uns auf, über das Phänomen des organisierten Verbrechens und die von der EU zu seiner Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen nachzudenken.
Die Reflexionen über den seligen Karl Leisner, einem deutschen Seminaristen, der im Konzentrationslager Dachau vom ebenfalls dort inhaftierten französischen Erzbischof Gabriel Piguet heimlich zum Priester geweiht wurde, konzentrieren sich auf ein spirituelles Element, ohne das der Aufbau des neuen Europas unmöglich gewesen wäre: Versöhnung.
Christliche Werte nicht verstecken
Die Woche der Hoffnung schließt am Donnerstag, 27. Juni, mit einem vom Apostolischen Nuntius bei der EU, Monsignore Alain Lebeaupin, als Hauptzelebrant gelesenen Messe für Europa in der Kirche Notre-Dame du Sablon auf einem der schönsten Plätze Brüssels.
Die Woche der Hoffnung wird ihren Sinn erfüllt haben, wenn es ihr gelingt zu zeigen, wie die christlichen Werte und die von der Zivilgesellschaft gepflegten, mutig gelebten und selbstlos verfochtenen Überzeugungen zum Aufbau einer besseren Welt beitragen.
Sie wird erfolgreich sein, wenn sie verdeutlicht, dass die Kirche Gefährte auf dem Weg zu einer von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit gekennzeichneten europäischen Integration ist. Wenn es ihr gelingt, diejenigen, die sich heute für die europäische Gemeinschaft von morgen einsetzen, davon zu überzeugen, dass die Kirche im Dienste all derjenigen steht, die Europa eine Seele geben wollen, dann wird sie Europa nachhaltig geprägt haben.
Von Patrick H. Daly
(Generalsekretär der COMECE)