Die Fastenzeit – 40 Tage ohne Gloria und Halleluja
Wenn die Fastenzeit beginnt, werden viele Menschen wieder kritisch auf ihre Gewohnheiten schauen – und verzichten: Auf Süßigkeiten, Alkohol oder Fernsehen. Angewohnheiten werden kritisch reflektiert, auf lieb Gewonnenes verzichtet man. Spürbar wird das auch bei einem Messbesuch. Auch hier spielt der Verzicht eine große Rolle: Während der Fastenzeit gibt es viele liturgische Bräuche, die sich teilweise über Jahrhunderte hinweg entwickelt haben. Das beginnt schon mit der liturgischen Farbe etwa der Messgewänder von Priester und Diakon. Sie tragen in der Fastenzeit violett – die Farbe steht für Umkehr und Buße und wird deshalb nicht nur innerhalb der Fastenzeit, sondern auch im Advent und beim Sakrament der Versöhnung getragen.
Asche erinnert an Sterblichkeit
Mit dem Aschermittwoch beginnt die 40-tägige Vorbereitungszeit auf Ostern. Vierzig ist in der Bibel eine wichtige Zahl: 40 Jahre lang befand sich das Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste, vierzig Tage lang verbrachte Jona im Bauch des Walfisches, 40 Tage lang war auch Jesus in der Wüste, bevor er öffentlich in Erscheinung trat. Katholiken begehen den Aschermittwoch mit einem Gottesdienst, in dem sie Asche auf die Stirn gezeichnet bekommen. In vielen Gemeinden werden dazu die Palmzweige des vorangegangenen Jahres verbrannt. Die Asche ist ein Zeichen der Vergänglichkeit. Sie soll den Menschen daran erinnern, dass er sterblich ist und deshalb der Umkehr und der Buße bedarf.
Deshalb konzentriert sich die Kirche auch auf das Wesentliche – im Leben wie in der Liturgie. In vielen Orten werden bis heute mit einfarbigen oder bemalten Tüchern die Altarbilder verhüllt. Während der Fastenzeit verstummt zudem der Gesang des Hallelujas. "Das Halleluja ist ein Begleitgesang zur Evangelienprozession", erklärt Martin Stuflesser, Professor für Liturgiewissenschaft in Würzburg. In der "Grundordnung des römischen Messbuchs" (GORM), einer Art Vorbemerkung oder Einführung in das Messbuch der katholischen Kirche, heißt es dazu: "Die Versammlung der Gläubigen empfängt und begrüßt den Herrn, der im Evangelium zu ihr sprechen wird, und bekennt singend ihren Glauben." (GORM 62)
Wenn die Kirche auf diesen Gesang verzichtet, geht es nicht darum, auf das Lob Gottes zu verzichten. Im Gegenteil: "Man verzichtet vierzig Tage auf das Halleluja, um es dann an Ostern wieder neu wahrnehmen zu können", sagt Stuflesser. Gleiches gilt für das Gloria, den Gesang während der Eröffnung des Gottesdienstes. Auch darauf verzichtet man während der Fastenzeit – damit soll aber keinesfalls auf das Lob Gottes verzichtet werden.
"Es geht um ein neues Sehen", so Stuflesser. Das kommt in den verhängten Altarbildern zum Ausdruck, aber auch in einer generellen Nüchternheit in der Vorbereitungszeit auf Ostern. Der Kirchenschmuck wird reduziert und die Kirchenmusik nimmt sich etwas zurück. Viele Organisten begleiten den Gesang der Gemeinde stärker und verkürzen oder vereinfachen Vorspiele oder verzichten auf die Begleitung, wenn die liturgischen Dienste am Ende des Gottesdienstes ausziehen.
In der Karwoche findet dieser Verzicht dann seinen Höhepunkt: Wenn Christen am Karfreitag das Leiden und Sterben Jesu feiern, sind in vielen Kirchen alle Blumen und teilweise auch die Tücher auf den Altären verschwunden. Die Orgel verstummt am Gründonnerstag in der Messe vom letzten Abendmahl bis zur Osternacht ganz – und vielerorts schweigen auch die Glocken.
Wo sind die Glocken an Ostern?
Einer alten Legende zufolge fliegen die Glocken an diesen Tagen nach Rom und kehren erst in der Osternacht zurück – um dann aber mit aller Kraft zur Feier der Auferstehung Jesu zu läuten. Gerade der Verzicht auf die Glocken, aber auch auf feierliche Kirchenmusik, den Anblick des Altarbildes oder den Gesang des Hallelujas soll den Blick schärfen. So kann man ab Ostern wieder neu die Blumen der Kirche sehen, das aufbrausende Orgelspiel hören oder das Halleluja singen.