Standpunkt

Man muss sich in der Kirche über Pfarrer beschweren können

Veröffentlicht am 02.03.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wenn sie wollten, könnten Pfarrer machen, was sie wollen. Denn Beschwerden über Fehlverhalten führen oft ins Leere, kommentiert Pater Klaus Mertes. Deshalb brauche die Kirche unabhängige Beschwerdestellen.

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Eine ehrenamtlich engagierte Frau aus einer Gemeinde sagte mir kürzlich: "Die Kommunionmütter nehmen an Präventionskursen teil, und die Pfarrer machen, was sie wollen." Das ist natürlich eine überspitzte Formulierung. Sicherlich trifft sie für die Mehrheit der Pfarrer nicht zu. Aber diejenigen Pfarrer, die machen wollen, was sie wollen, können das auch tun, wenn sie es so wollen: Beschlüsse übergehen, Dialog verweigern, Prozesse torpedieren, Handkommunion erschweren, Mädchen von Altardienst vertreiben, Jugendliche anbaggern, Andersdenkenden die Katholizität absprechen, sich selbst feiern, und so weiter.

Es gibt Verhaltensweisen, die gegen eine Kultur der Achtsamkeit verstoßen, und die zugleich noch keine Verbrechen sind: Grenzverletzungen und Übergriffe auf der Ebene der Sprache (auch der Körpersprache), die ganz klar "nicht gehen". Sie entziehen sich einem Beschwerdemanagement, das auf den sexuellen Missbrauch im vollen Sinne des Wortes konzentriert ist. Deswegen machen so viele Betroffene in den Gemeinden die Erfahrung, dass ihre Beschwerden über grenzverletzendes Verhalten vergeblich sind. Sie hören dann Sätze wie: "Ja, das ist schlimm, aber da können wir leider nichts machen."

Umgang mit Beschwerden über pastorales Personal ist ein heikles Thema. Ich kenne das mutatis mutandis aus der Schulleiterperspektive, wenn sich Schüler oder Eltern über einen Kollegen beschweren. Da gilt es, zwischen Vertrauensschutz und konsequentem Verfolgen der Beschwerde den richtigen Weg zu finden, der beiden Anliegen gerecht wird. Aber gerade deswegen ist ein transparentes Beschwerdemanagement auf Grund von transparenten Verfahren entscheidend. Das scheint mir aber nach wie vor noch eine offene Baustelle zu sein.  Es bleibt an der Basis zu oft der Eindruck hängen, dass Pfarrer, wenn sie es wollen, machen können, was sie wollen, und dass man letztlich nichts dagegen tun kann.

Das eine, was man machen kann, ist: Mutig widersprechen – so wie es im letzten Jahr in einer Gemeinde in Münster diejenigen taten, die während einer unsäglichen Predigt aufstanden und protestierten. Das gab dann auch der Bistumsleitung die Möglichkeit, disziplinarisch zu reagieren. Aber nicht immer finden Betroffene diese Kraft. Sie befinden sich in der schwächeren Position und müssen sich selbst oder ihre Kinder schützen. Denn so wie es Lehrer gibt, die keine Kritik ertragen, gibt es auch Pfarrer, die auf Kritik äußerst empfindlich reagieren – aus ihrer jeweiligen Machtposition heraus. Deswegen braucht es wirklich unabhängige Beschwerdestellen, die Vertrauensschutz geben können, und die zugleich das Recht und die Pflicht haben, den Verantwortlichen in der Personalführung auf die Füße zu treten, wenn sie ohnmächtiger tun, als sie es sind.

Von Pater Klaus Mertes

Der Autor

Der Jesuit Klaus Mertes ist Direktor des katholischen Kolleg St. Blasien im Schwarzwald.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.