Die tödlichen Folgen eines antiken Missverständnisses

Wenn Christen Menschenfleisch essen und Blut trinken

Veröffentlicht am 15.04.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ "Nehmt, trinkt und esst – das ist mein Fleisch und Blut": Dieser Auftrag Jesu an die Christen war in der hellenistischen und römischen Welt ein Skandal. Auch sonst förderte ihr Verhalten Argwohn und Anschuldigungen der Herrscher – und hatte drastische Konsequenzen.

  • Teilen:

Wie sollte man das verstehen können, was da angeblich hinter verschlossenen Türen vor sich ging? "Nehmt, trinkt und esst – das ist mein Fleisch und Blut." Dieser Auftrag Jesu an seine Anhänger zum kultischen Verzehr von menschlichem Fleisch und Blut, formuliert im Letzten Abendmahl vor seiner Kreuzigung, war für die antike Gesellschaft hochgradig verstörend, ja skandalös. Ohnehin waren diese Christen merkwürdig, eigenbrötlerisch, anders. Die Gerüchteküche im Römischen Reich kochte.

Mit der Unterwerfung vieler Länder kamen die Römer immer wieder in Kontakt mit auswärtigen Religionen und fremden Gottheiten. Diese Götter wurden den Unterworfenen nicht nur belassen, sondern oft sogar neu in die römische Religion mitaufgenommen. Die Schutzgötter der Kriegsgegner wurden so gleichsam hinübergezogen.

Römer sahen Erfolg ihrer Herrschaft in Götterglauben begründet

Der römische Staat ging nie gegen eine Religion als solche vor. Er handelte aber, wenn er die öffentliche Ordnung bedroht sah. Die Römer sahen den Erfolg ihrer Politik und Herrschaft in ihrem Götterglauben begründet. Eine pflichtgemäße Kultausübung garantierte die Fürsorge der Götter und damit das Wohlergehen des Reiches.

Um die innere Einheit des Staates zu festigen und dem römischen Weltreich neuen Zusammenhalt zu verschaffen, bemühten sich die Kaiser daher nach dem Ende der Republik um eine Neubelebung und Festigung des alten Götterglaubens. Zudem führten sie zur Zeit Jesu nach und nach zusätzlich einen Kaiserkult ein: Der aktuelle wie auch die verstorbenen Kaiser sollten als Götter verehrt werden – auch das als Garant für den Bestand des Reiches.

Papst Franziskus geht durch dunkle Katakomben-Gänge
Bild: ©KNA/Romano Siciliani/Vatican Media

Christen lehnten den Kaiserkult und die Vielgötterei im antiken Rom ab. Damit isolierten sie sich selbst. Während der Zeit der großen Christenverfolgungen im 3. und 4. Jahrhundert in Rom fanden viele Märtyrer ihre letzte Ruhestädte in Katakomben unter der Stadt. Papst Franziskus besuchte die Katakombe der Priscilla im vergangenen Jahr zu Allerseelen und feierte dort eine Messe.

Während die Anhänger polytheistischer Religionen im hellenistisch oder germanisch-heidnisch geprägten religiösen Umfeld der Zeit keine Probleme hatten, neben ihren eigenen Göttern auch den römischen Kaiser zu verehren, lehnten Juden und Christen mit ihrem strengen Monotheismus Vielgötterei und auch den Kaiserkult ab. Das war für den römischen Staat ein politisches Problem.

Indem die Christen Götterdienst und Kaiserkult verweigerten und auch andere gesellschaftliche Bereiche wie Zirkus- und Theaterspiele oder öffentliche Festtage mieden, isolierten sie sich selbst. Zudem ließ solches als unsozial empfundenes Verhalten Zweifel an ihrer Loyalität aufkommen. Beriefen sie sich nicht sogar auf einen politischen Aufrührer als Stifter: den "König der Juden"?

Vorurteile und Anklagen gegen seltsame Minderheit nahmen zu

Dass ihr Gemeindeleben weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, förderte noch den Argwohn der heidnischen Bevölkerungsmehrheit. Vorurteile und Anklagen gegen diese seltsame Minderheit nahmen zu. Man bezichtigte die Christen der Gottlosigkeit, der Welt- und Kulturfeindlichkeit, ja der Menschenverachtung.

Ihre Riten wurden in der Bevölkerung missverstanden und gaben Anlass zu wilden Spekulationen: Angeblich feierten die Christen Orgien zwischen den Geschlechtern, aßen Menschenfleisch und tranken Blut. Mit ihrer Rolle als Außenseiter wurden sie immer wieder auch zum Sündenbock für Seuchen, Überschwemmungen, Dürre und andere Katastrophen gemacht.

Christenverfolgung

Christen gelten als eine der am stärksten verfolgten religiösen Gruppen weltweit. Oft haben sie unter Repressalien zu leiden. Katholisch.de informiert über alles Wichtige zum Thema.

Gerade Kaufleute, Handwerker und Viehhändler, die von Opfer- und Kultgegenständen des heidnischen Tempelkultes lebten, sahen sich durch die Ausbreitung des Christentums in ihrer Existenz bedroht – und setzten sich mit Anzeigen und Beschwerden gegen die Christen zur Wehr. So gab es einzelne Christenprozesse vor den Statthaltern, die in den Provinzen für Ruhe und Ordnung zu sorgen hatten.

Seit Beginn des 2. Jahrhunderts gab es mit einem Antwortbrief Kaiser Trajans auf eine Anfrage des Statthalters Plinius zwar eine gewisse Richtschnur für Strafverfahren gegen Christen. Sie war aber weder rechtsverbindlich, noch wurde sie durchgehend praktiziert. Die Christenfrage war damit noch keinesfalls prinzipiell oder endgültig geregelt.

Verweigerung der Götteropfer bedeutete meist Todesstrafe

Solange das römische Strafrecht ein Verbot des Christentums faktisch nicht vorsah, war die rechtliche Grundlage für eine Verurteilung von Christen ihre Verweigerung der Götteropfer – in den Augen der römischen Gesellschaft wie gesehen ein Hochverrat. Dementsprechend war das Strafmaß bei einer Verurteilung in der Regel die Todesstrafe durch Enthauptung, Verbrennung, Kreuzigung oder Tierhatz in der Arena.

Als Feinde der öffentlichen Ordnung angeklagt, mussten sich die Christen so zwischen Verrat oder Bekenntnis ihres Glaubens entscheiden – wobei das Bekenntnis meist den Tod zur Folge hatte. Trotz aller Schwierigkeiten und Verfolgung durch die Staatsmacht, freilich zumeist lokal oder zeitlich begrenzt, war die weitere Ausbreitung des Christentums nicht aufzuhalten. Das eindrucksvolle Bekenntnis von Christen im Angesicht des Todes hat diese Ausbreitung wohl sogar noch gefördert.

Von Alexander Brüggemann (KNA)