Angehende Priester dürften anderes Geschlecht nicht als Gefahr ansehen

Kardinal Ouellet fordert mehr Frauen in der Priesterausbildung

Veröffentlicht am 24.04.2020 um 13:14 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Frauen als Gefahr – diese Ansicht könne bei angehenden Priestern entstehen, wenn sie bei ihrer Ausbildung vom anderen Geschlecht isoliert würden: Daher fordert der Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, mehr Frauen in den Seminaren.

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Der Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, fordert einen stärkeren Einsatz von Frauen in der Priesterausbildung. Das helfe den zukünftigen Priestern bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit und verhindere das Aufkommen von Klerikalismus, sagte Ouellet laut der französischen Tageszeitung "La Croix" (Freitag) in einem Interview mit dem vatikanischen Frauenmagazin "Donne Chiesa Mondo".

Für ihn stehe außer Frage, dass weiterhin ein Priester einen Seminaristen während der Ausbildung geistlich begleiten sollte, so Ouellet weiter. Doch Frauen könnten die persönliche Entwicklung der Seminaristen positiv beeinflussen, "ein Aspekt, der in den Seminaren meiner Meinung nach nicht ausreichend behandelt wird". Ihm gehe es dabei insbesondere um den Umgang mit der eigenen Gefühlswelt, aber auch um die Entwicklung einer in sich gefestigten psychosozialen und psychosexuellen Identität. Ein Priester, der während seiner Ausbildung keine Berührungspunkte mit Frauen habe, könne schnell ein ungesundes Verhalten zum anderen Geschlecht entwickeln. "Für einen Priester, für einen Seminaristen erscheint die Frau dann als eine Gefahr". Dabei stellten in Wirklichkeit jene Männer eine Gefahr dar, die kein ausgewogenes Verhältnis zu Frauen hätten, sagte Ouellet.

Nicht bloß "Frauen fördern"

Zudem würden die Seminaristen durch mehr Frauen als Ausbildungsverantwortliche eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Frauen und Männern erfahren. Wenn ein respektvoller Umgang zwischen Menschen verschiedenen Geschlechts nicht schon in der Ausbildung grundgelegt werde, "riskiert der Priester, seine Beziehung zu Frauen auf klerikale Weise zu leben".

Schon die überarbeitete Ratio Fundamentalis aus dem Jahr 2016, die die Priesterausbildung in der katholischen Kirche neu regelt, bezeichnete den Einsatz von Frauen in der Priesterausbildung als "wesentlich". Ouellet gehe es jedoch nicht bloß darum, "Frauen zu fördern", sondern sie "als integralen Bestandteil der Ausbildung" künftiger Priester zu betrachten. Nur so könne ein Mentalitätswechsel erfolgen, der Klerikalismus effektiv vorbeuge. Denn "wir befinden uns noch immer in einem klerikalen Ausbildungskonzept, das zwar nach Fortschritt strebt," aber noch sehr in der Kontinuität veralteter Denkweisen stehe, sagte der Kardinal.

Der gebürtige Kanadier Marc Ouellet war seit 2002 Erzbischof von Quebec und Primas von Kanada. Papst Johannes Paul II. erhob ihn ein Jahr später zum Kardinal. Benedikt XVI. ernannte ihn 2010 zum Präfekten der Kongregation für die Bischöfe und der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika. (cst)