Riesige Schuttberge und ein neuer Anfang

Münster und Paderborn im Jahr 1945: Wie die Dome ausbrannten

Veröffentlicht am 07.05.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Am Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren lagen die westfälischen Metropolen Paderborn und Münster mit gewaltigen Schäden in Trümmern. Auch ihre Kathedralen waren zerstört. Doch der Wiederaufbau war für viele Menschen ein Hoffnungszeichen.

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Die Hölle kam am 27. März 1945 über Paderborn. Knapp 270 britische Lancaster-Bomber warfen an diesem Dienstag vor Ostern rund 1.400 Spreng- und Brandbomben auf die Stadt. Nur etwa eine halbe Stunde soll der Angriff gedauert haben. Aber die Schäden waren gewaltig. "2.000 Gebäude total zerstört, 500 schwer beschädigt, 700 mittel schwer beschädigt, 400 leicht beschädigt. 1.500 Großbrände, 1.000 mittlere Brände, 500 Kleinbrände, Flächenbrand über dem gesamten Stadtkern", heißt es in den Aufzeichnungen der Luftschutzleitung. Paderborn war zu 85 Prozent zerstört – und auch der Dom hatte diesem Inferno nicht standgehalten.

Die Kathedrale war komplett ausgebrannt. Das Dach war zerstört, ebenso die Turmhaube sowie ein Giebel des Langhauses. Im Innenraum lagen Meter hoch Schutt und Asche, wie auf alten Bildern zu sehen ist. Die Paderborner waren tief getroffen über das verwundete Herz ihrer Stadt. "Das tat weh. Man sieht es und kann nichts machen", so der fast 100-jährige Franz Peckelsen in einem Fernsehbeitrag im vergangenen Jahr. Das spätere Mitglied der Domgilde bedauerte insbesondere den Verlust der bunten Glasfenster in der Kathedrale, die ihn als Junge stets fasziniert hatten. Nur drei Fenster aus dem Vorkriegsdom blieben erhalten.

Bei dem großen Luftangriff starben 350 Menschen. Dass es nicht mehr waren, lag allein daran, dass viele Paderborner nach zwei vorangegangenen Bombenangriffen in den Wochen zuvor ins Umland geflohen war. Heute wird der Toten mit einer Leuchte gleich neben dem Eingang des Doms gedacht. Sie wird jeweils am 17. Januar, 22. und 27. März entzündet. An die Zerstörung erinnern die Reste einer Luftmine im Kreuzgang unweit des berühmten Hasenfensters. Am Wiederaufbau des Paderborner Doms beteiligten sich in den Nachkriegsjahren Hunderte Freiwillige. 1946 war schon Richtfest. Das Metropolitankapitel gab vor, dass schon 1948 das Liborifest – das große jährliche Patronatsfest mit der Verehrung des Heiligen Liborius – wieder im Dom gefeiert werden soll. Es gelang. Das Herz der Stadt begann wieder zu schlagen.

Der St. Paulus-Dom Münster.
Bild: ©dpa/Boensch, B.

Von den schweren Schäden, die der Sankt-Paulus-Dom in Münster während des Zweiten Weltkriegs mitbekommen hat, merkt man heute nichts mehr.

Noch schwerer traf es im Zweiten Weltkrieg den Münsteraner Paulusdom. Als am 2. April 1945 britische und amerikanische Truppen die Westfalenmetropole einnahmen, mussten sie wahre Schuttberge überwinden. Die Altstadt lag zu 90 Prozent in Trümmern. Vom Dom standen nur Ruinen.

Der 10. Oktober 1943 wird als der schwärzeste Tag in seiner Geschichte bezeichnet. Rund 20.000 Bomben trafen damals die Stadt. Die Kathedrale brannte aus, das Dach wurde zerstört. Im September 1944 dann trafen Sprengbomben die Westfassade mit dem damaligen Portal. Im März 1945 fielen weite Teile des Mauerwerks und der Gewölbe den Luftangriffen zum Opfer. Die Zerstörung schien total. "Man wagte es kaum zu hoffen, dass an dieser Stätte sich jemals wieder eine Kathedrale erheben würde", so Münsters Bischof Michael Keller (1896-1961). Es habe so ausgesehen, als sei das Ende des Domes ein für alle Mal besiegelt. Er sagte dies im Oktober 1956 bei der Wiedereröffnung. Mehr als zehn Jahre hatte es gedauert, das Gotteshaus wieder zu errichten.

Und der Dom sah auch nicht mehr so aus, wie vor dem Krieg. Sichtbarstes Zeichen der Veränderung war die Schließung der Westfassade. Seither müssen die Menschen die Kirche von der Südseite her durch das sogenannte Paradies betreten. Am alten Haupteingang befindet sich jetzt eine schlichte Mauer aus Sandstein. Die 16 im Kreis angeordneten Rundfenster im oberen Drittel wurden schnell als "Wählscheibe Gottes" verspottet.

Es hatte auch Pläne gegeben, einen völlig neuen Bau zu errichten. Das Domkapitel entschied sich dann aber doch für den Wiederaufbau. Ein Dombau-Verein wurde ins Leben gerufen, Gemeinden spendeten, Freiwillige engagierten sich. "Das ging sofort nach dem Krieg los. Vom zwölften Lebensjahr an mussten alle, die in Münster waren, Schippdienste leisten", erinnerte sich noch 2018 der emeritierte Weihbischof Friedrich Ostermann (1932-2018). So habe er miterlebt, "wie man vor diesen riesigen Schuttbergen mit vielen kleinen Schritten einen neuen Anfang setzte".

Von Johannes Schönwälder (KNA)

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