Bertram Meier: Sehe Weiheaufschub als "bischöfliche Schwangerschaft"
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Es war schon alles vorbereitet. Doch die Corona-Krise machte Bertram Meier und dem Bistum Augsburg einen Strich durch die Rechnung: Die Bischofsweihe wurde abgesagt. Inzwischen wurde zwar ein neuer Termin angesetzt, doch offiziell leitet Meier die Diözese weiterhin "nur" als Apostolischer Administrator. Was diesen von einem "richtigen" Bischof unterscheidet, erklärt Meier im Interview. Außerdem erzählt er, was ihm alte Bekannte aus Rom über die momentane Lage im Vatikan berichten.
Frage: Herr Prälat Meier, wie sieht es denn bei Ihnen in der Stadt aus? Wie erleben Sie die Situation gerade?
Meier: Also langsam, muss ich sagen, erwacht wieder das Stadtleben, nicht nur weil Frühling ist, sondern weil ja auch der Freistaat Bayern nach und nach wieder aufmacht, wieder öffnet. In den vergangenen Wochen war die Stadt leer, fast ausgestorben, kaum Autos, man konnte parken ohne einen Parkplatz suchen zu müssen. Jetzt merkt man, dass wieder viel mehr los ist. Auch die Geschäfte haben wieder geöffnet, natürlich mit diesen Schutzmaßnahmen. Ich weiß nicht, wie viel gekauft wird, aber es normalisiert sich wieder. Es ist wieder Leben in der Stadt und das freut mich.
Frage: Als wir das letzte Mal gesprochen haben, haben Sie sich gerade auf Ihre Bischofsweihe vorbereitet. Die sollte ja eigentlich am 21. März stattfinden. Jetzt sind Sie in der extrem außergewöhnlichen Situation, das einzige Bistum zu sein, dass keinen geweihten Bischof hat. Sie sind jetzt offiziell Apostolischer Administrator. Das ist, glaube, ich die Bezeichnung. Wie ist denn offiziell die korrekte Ansprache? Wie machen Sie das im Bistum?
Meier: Ich glaube, dass wir hier ganz vatikanisch vorgehen können, denn beim Vatikan wird man Bischof durch die Ernennung durch den Papst. Ich habe jetzt erst eine Einladung für eine Bischofstagung nach Rom bekommen, international, und da steht als erster Satz: "Mit Datum vom 29. Januar hat Sie Papst Franziskus in das Bischofskollegium aufgenommen." Für den Vatikan ist mehr die rechtliche Seite wichtig und das ist die Ernennungsurkunde des Papstes. Während dann natürlich das Zweite hinzukommt, nämlich die Weihe. Und die Weihe macht eigentlich erst den ernannten Bischof zum Bischof. Ich kann jetzt als Apostolischer Administrator rechtlich agieren wie ein Diözesanbischof, kann allerdings keine Weihen spenden, aber sonst ist das wie ein Bischof. In manchen Ländern, wo es politisch nicht möglich ist, einen Kandidaten durchzusetzen vor staatlichen Behörden, bleiben auch von Rom ernannte Leiter der Diözesen oder der Prälaturen Apostolische Administratoren. Dieser Zustand trifft für uns nicht zu, der bayerische Staat hat gegen mich nichts erhoben, ich habe – wie es die Verfassung vorschreibt – sogar am 13. März bei Ministerpräsident Söder einen Eid auf die bayerische Verfassung abgelegt, und es ist eigentlich alles vorbereitet. Ich vergleiche das jetzt mal so, obwohl das biologisch vollkommen unsinnig ist: Es ist eine Art "bischöfliche Schwangerschaft". Die dauert zwar nicht neun Monate, aber sie hat dann doch von Januar bis zum 6. Juni gedauert, wenn alles gut geht unter Corona-Vorbehalt. Am 6. Juni ist dann die Entbindung von Bertram Meier ins Bischofsamt vorgesehen. Ich hoffe, dass es eine glückliche Geburt gibt, und dass ich auch nicht erste Schreie, aber erste Lebenszeichen als Bischof dann ab 6. Juni setzen darf und sich viele Leute darüber freuen.
Frage: "Bischöfliche Schwangerschaft" – das ist ein Begriff, den ich noch nicht gehört habe.
Meier: Die gibt es auch nicht. Die ist von mir jetzt erfunden.
„Es ist eine Art "bischöfliche Schwangerschaft". Die dauert zwar nicht neun Monate, aber sie hat dann doch von Januar bis zum 6. Juni gedauert, wenn alles gut geht unter Corona-Vorbehalt. Am 6. Juni ist dann die Entbindung von Bertram Meier ins Bischofsamt vorgesehen.“
Frage: Lassen Sie uns noch einmal zurückschauen. Wir haben ja kurz vorher noch gesprochen, wie Sie beim Schneider gewesen sind, wie Sie die Weihe als Fest vorbereitet haben mit einem großen Stab. Das ist doch alles andere als man erwartet, dann dass das auf einmal verschoben wird.
Meier: Freilich. Das ist so ähnlich, als ob Sie als Hochzeitspaar sich auf einen Termin freuen, Sie bereiten alles vor, Anzug, Brautkleid, reservieren Restaurants, Sie sind mit dem Pfarrer hoffentlich in einem guten Gespräch, damit es auch ein festlicher und tiefsinniger Gottesdienst wird – und dann geht es nicht. Aber da hat einfach Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir konnten gar nicht anders, als die Weihe zu verschieben. Es wäre auch ein ganz falsches Signal gewesen, da was durchzudrücken. Und es wäre auch kein so gutes Zeichen gewesen, sich in die bischöfliche Hauskapelle zurückzuziehen, in eine Art Situation einer Kirche im Untergrund. Deshalb haben wir gesagt, dass kein Notstand besteht und wir es einfach aufschieben.
Dadurch, dass wir die Corona-Krise hatten und auch noch immer haben – wir dürfen das Ganze jetzt nicht verharmlosen, wir sind in einer außerordentlichen Situation –, war ich sehr gefragt. Ich habe ja nicht nur den Weihetag abgesagt, ich habe die Exerzitien aufgeschoben, also eine Woche Besinnung vor der Weihe, ich war in der Osterwoche auch da, weil ich glaube, dass der Hirte bei seiner Herde sein muss in einer solchen Situation. Ich habe gar nicht so viel Zeit gehabt, mir trübselige Gedanken darüber zu machen, sondern ich musste handeln und war natürlich auch sehr, sehr froh, dass meine engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da auch mitgemacht haben und weiterhin mitziehen. Und vor diesem Hintergrund hat sich ehrlich gesagt auch die Trauer in Grenzen gehalten, weil ich auch gemerkt habe, dass Manches noch wesentlicher wird. Ich habe viel nachdenken können, sondieren dürfen, ich habe auch viel mehr Zeit zum Meditieren und zum Beten gehabt und das soll jetzt auch so sein, dass sich der Start offiziell als Bischof nun verspätet. Aber es war auch ein gutes geistliches Training jetzt und vielleicht kann ich noch systematischer, noch überlegter und wesentlicher als geweihter Bischof meinen Dienst antreten.
Frage: Und die Weihe ist jetzt für Anfang Juni angesagt. Die wird dann aber nicht so stattfinden können, wie Sie es sich eigentlich vorgestellt hätten, oder?
Meier: Ja, aber auch da muss ich sagen: Sie wird jetzt eben stattfinden mit Corona-Vorbehalt. Ich muss das immer wieder sagen. Wir machen das ja nicht in Eigenregie: Ich werde heute noch ein Gespräch haben mit der neuen Oberbürgermeisterin von Augsburg, Eva Weber. Auch ihr Vorgänger war uns sehr gewogen, der Regierungspräsident von Schwaben ist mit im Boot, dann haben wir auch Drähte in die Staatskanzlei nach München. Wir machen nichts in Eigenregie. Und es ist so, dass wir den Dom auch ausgemessen haben, das muss man sowieso machen auch für unsere sonstigen Gottesdienste, die es ja seit Montag wieder gibt. Wir planen jetzt mal mit 175 Personen als Höchstzahl, die werden wir aber wohl nicht ausschöpfen, eher ein bisschen darunter bleiben, und wir werden eher repräsentationsmäßig die Plätze besetzen, sodass es keine reine Klerus-Feier wird. Wir laden die bayerischen Diözesanbischöfe ein, dann natürlich den Nuntius, dann hat schon der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz zugesagt. Das, finde ich, ist ein ganz schönes Zeichen, da auch im Episkopat aufgenommen zu werden. Dann haben wir natürlich ein Domkapitel, das muss dabei sein, oder die Dekane.
Bei den anderen Gremien haben wir vor, dass wir den Diözesanrat der Katholiken, die Verbände, die Jugend, dann auch die vielen sozialen Einrichtungen im Bistum und die Ordensgemeinschaften – auch noch sehr lebendig, wenn auch hohen Alters – einladen. Wir wollen von allen jeweils Vertreterinnen und Vertreter einladen, und ich glaube, dass wird auch von allen verstanden, denn es geht uns im Bistum jetzt darum, dass ich erst einmal ganz ins Amt komme. Diese Stimmen sind in den letzten Monaten auch immer lauter geworden, auch gute Freunde, die mir gesagt haben: "Bertram, schau, dass du die Weihe empfangen kannst, dann bist du ganz unser Bischof und bist nicht nur Funktionsträger des Diözesanverwalters." Wir haben auch vor – das ist nicht nur ein frommer Wunsch, sondern da gibt es schon Überlegungen, wenn Corona mal einigermaßen überstanden sein sollte und wir auch wieder größere Feiern veranstalten können –, dass wir nächstes Jahr, so Gott will, etwa am ersten Jahrestag der Weihe oder im Rahmen der Ulrichswoche im Juli nächstes Jahr entweder eine Dankwallfahrt machen, etwa zur Wieskirche, die ist ja kulturell ganz bekannt, oder aber ein Fest des Glaubens in Augsburg selbst. Das steht noch in den Sternen, aber Feste können nachgeholt werden und darauf freue ich mich.
Frage: Ich würde einmal mit Ihnen kurz in den Vatikan schauen. Sie sind ja ein Mensch, der sich da sehr gut auskennt, Sie haben lange Zeit im Staatssekretariat gearbeitet. Der Vatikan ist ja im Moment auch unter Sondersituation, wie alles im Moment. Was hören Sie denn da von Ihren Leuten, Ihren Bekannten? Wie gehen die denn im Moment mit der Lage um?
Meier: Also am Anfang, Mitte März war es noch relativ gelassen. Viele haben gesagt: "Jetzt können wir mal einen Gang herunter schalten. Wir haben jetzt nicht so den Druck." Aber mittlerweile ist es so, dass sich viele Vatikanmitarbeiter freuen, wenn wieder Parteiverkehr ist, wenn wieder Menschen von außerhalb kommen, vor allem auch, wenn der Petersdom und der Petersplatz wieder mit Pilgern und Touristen bevölkert sind. Das ist eine ganz andere Situation, wie ich von vielen weiß. Der Vatikan hat ja sowieso nicht den Ruf, im Turbotempo alles zu machen, sondern das wird ohnehin alles gut überlegt, aber jetzt war es schon ein bisschen zu überlegt. Das heißt, wenn alles auf Stillstand ist, ist es sehr, sehr schwierig. Sie werden aber gemerkt haben, dass es im Vatikan schon weiterging, ganz oben zum Beispiel. Der Papst, der ja durchaus auch von seinem Alter und von seinem Gesundheitszustand her nicht unbedingt der Kerngesündeste und Durchtrainierteste ist, hat regelmäßig Audienzen gehalten, auch Privataudienzen. Dann hat die Bischofskongregation weiterhin regelmäßig Bischöfe ernannt. Also das Ganze geht weiter.
Aber, nochmal zum Menschlichen: Hinter den Vatikanmauern leben Menschen. Die Italiener können langsam auch wieder raus, nach Rom oder in ihre Heimat. Aber ich weiß von einem gut befreundeten Monsignore aus dem Vatikan, mit dem ich regelmäßig telefoniere, der noch Anfang März in Deutschland war, weil seine Mutter den 90. Geburtstag gefeiert hat. Er ist dafür nach Deutschland heimgefahren. Seitdem konnte er nicht mehr fahren. Er wollte jetzt gern an Pfingsten heimfahren, das ging nicht. Er hofft, dass er wenigstens im Sommer für zwei Wochen Heimaturlaub machen kann. Also der Vatikan kann auch ganz schön zu einer Art Quarantäne werden. So schön die vatikanischen Gärten auch sind, sich nur in den vatikanischen Gärten aufzuhalten, um Luft zu schnappen, ist auch gewöhnungsbedürftig. Lustig ist, dass ich jetzt gehört habe, dass nun viele in den vatikanischen Gärten spazieren gehen, obwohl die Kardinäle und Monsignori normalerweise nicht die sportlichsten sind. Ich habe mir erzählen lassen, dass viele mit Mundschutz unterwegs sind. Und das muss bei den älteren Eminenzen und Exzellenzen wirklich lustig aussehen. Das noch als Bonbon noch zum Schluss.
Frage: Da sieht man mal, wie sich die Situation für uns alle tatsächlich verändert.
Meier: Genau.
Frage: Es gibt noch eine Abschlussfrage, die jeder in dem Gespräch beantworten muss: Was bringt Ihnen Hoffnung im Moment?
Meier: Mir bringt Hoffnung, dass das Leben wieder langsam erwacht. Für mich ist es ein Zeichen der Zuversicht, dass wir Dinge neu entdeckt haben, auch als Christinnen und Christen und auch als Kirche, die vorher fast vergessen waren. Zum Beispiel Hauskirchen, da wurde man oft noch müde belächelt, das ist wieder entdeckt worden. Auch die Kreativität und Fantasie vieler Initiativen, die das christliche Leben nicht nur konserviert haben, sondern sogar mit neuen Ideen gefüllt haben, als die öffentlichen Gottesdienste untersagt waren. Das macht mir Hoffnung.