Wie Corona die Pfarreienreform im Erzbistum Freiburg verzögert
Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf die im Erzbistum Freiburg geplanten Strukturreformen. Die laufenden Beratungen über Details und Umsetzung der Veränderungen in den Pfarreien und bei der Neuausrichtung der Seelsorge brauchen mehr Zeit, da sich viele Arbeitsgruppen derzeit nicht treffen könnten, hieß es am Dienstag. Die ursprünglich für das Frühjahr 2021 geplante zentrale Konferenz von Kirchenmitarbeitern und ehrenamtlich Engagierten ("Diözesan-Pastoralkonferenz") wird daher um ein Jahr verschoben – auf März 2022.
Es gehe darum, die anstehenden Richtungsentscheidungen ohne Zeitdruck treffen zu können, sagte ein Sprecher. "Die Verschiebung ist damit nicht nur eine Verzögerung, sondern auch eine Chance."
Neue Denkanstöße durch Digitalisierungsschub?
Zu erwarten ist auch, dass der aktuelle Digitalisierungsschub, der die Kirchen in der Corona-Krise erfasst hat, noch einmal neue Denkanstöße geben könnte, wie kirchliches Leben künftig aussehen soll. Nicht wenige Gemeinden und Initiativen im Südwesten sind überrascht, auf wie große Resonanz die neuen Angebote wie Gottesdienst-Livestreams oder Online-Andachten getroffen sind.
"Wir sollten uns die Zeit nehmen, diese Entwicklungen der vergangenen Wochen noch einmal in Ruhe anzuschauen", sagte die Diözesanratsvorsitzende Martina Kastner. "Aber klar ist auch, dass viele Katholikinnen und Katholiken die Gottesdienste schmerzlich vermisst haben. Die Feiern sind ja auch wichtige, soziale Treffpunkte."
Ein zentrales Anliegen der geplanten Strukturveränderungen ist es, die Zahl der einzelnen Pfarreien stark zu reduzieren. Derzeit ist die Diözese zwischen Odenwald und Bodensee mit etwa 1,6 Millionen Katholiken in 224 Seelsorgeeinheiten mit 1.000 Pfarreien gegliedert. Ab 2025 könnten es nur noch etwa 40 Großpfarreien sein. Hintergrund ist der Rückgang der Zahl von Katholiken sowie von Priestern und Kirchenmitarbeitern.
Entwürfe der neuen Pfarreiaufteilung liegen bereits vor und sollen nun in den kommenden Monaten vor Ort weiter diskutiert werden. Eigentlich war beabsichtigt, die neue Pfarreiaufteilung noch in diesem Jahr abzuschließen. Auch das wird sich nun verzögern. Beispielsweise konnten wegen Corona auch die vor kurzem neu gewählten Pfarrgemeinderäte noch nicht zusammentreten. Diese sollen aber bei der Strukturreform gehört werden.
Laut aktuellem Planungsstand könnte es künftig beispielsweise in Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim jeweils nur noch eine Pfarrei als Dach über allen kirchlichen Aktivitäten geben. Zu einer Pfarrei gehören dann mehrere Zehntausend Gläubige. An der Spitze der Großpfarreien soll gemäß kirchenrechtlicher Vorgaben jeweils ein leitender Pfarrer stehen, auf der Ebene der heutigen Pfarreien und Seelsorgeeinheiten ermutigt die Kirchenleitung zu neuen Führungskonzepten. Ausdrücklich gewünscht sei die Mitarbeit von Ehrenamtlichen. Die neuen Strukturen könnten auch neue Freiräume schaffen, betont Erzbischof Stephan Burger.
Kirche will präsent bleiben
Und er sichert zu, dass die katholische Kirche trotz Priestermangels und trotz des Rückgangs bei Gläubigen und kirchlich Engagierten weiterhin in der Gesellschaft präsent bleiben will. Zentrale Herausforderungen seien etwa Individualisierung oder die Veränderungen der Gesellschaft durch Migration.
Zu den Überlegungen zählt zudem, neue Angebote nicht mehr auf Basis der Pfarreien, sondern stärker ausgerichtet für einzelne Zielgruppen anzubieten. Also beispielsweise Zentren für Familien oder Senioren zu schaffen. Auch das soziale und caritative Engagement soll enger mit dem kirchlichen Leben vor Ort vernetzt werden.
Ähnliche Strukturdebatten gibt es derzeit in vielen deutschen Bistümern. Auf erheblichen Widerstand an der Basis und bei Priestern trafen die Pläne für Großkirchengemeinden zuletzt im Bistum Trier. Mit Perspektiven für die katholische Kirche in ganz Deutschland beschäftigt sich auch der Gesprächsprozess "Synodaler Weg" – aber auch hier verzögert Corona den Zeitplan.