Öffentliche Gottesdienste in Luxemburg noch immer verboten

Katholiken warten auf Lockdown-Lockerung – Scharfe Kritik von Kardinal

Veröffentlicht am 19.05.2020 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Luxemburg ‐ Seit dem 11. Mai erwacht das gesellschaftliche Leben auch in Luxemburg wieder. Schon einige Tage länger liegt der dortigen Regierung ein Schutzkonzept für öffentliche Gottesdienste in katholischen Kirchen vor – bisher ohne Antwort. Scharfe Kritik gibt es dafür von Kardinal Jean-Claude Hollerich.

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Wie in anderen europäischen Ländern hat das öffentliche Leben auch in Luxemburg seit dem 11. Mai wieder Fahrt aufgenommen. Doch anders als etwa in Deutschland muss die katholische Kirche im Großherzogtum weiterhin im "Lockdown" ausharren. Das stößt bei Luxemburgs Christen auf immer mehr Unverständnis – allen voran bei Kardinal Jean-Claude Hollerich.

Seinen Unmut drückte der Erzbischof von Luxemburg am Sonntag in einem im Rundfunk und Internet live übertragenen Gottesdienst – ohne Gläubige – aus. "Ich denke, dass wir der Regierung vollkommen egal sind. Das enttäuscht mich und macht mich wütend", lautete das Fazit des Erzbischofs. Er erinnerte daran, dass die Religionsfreiheit ein Menschenrecht ist – auch wenn man in Zeiten der Corona-Pandemie dieses Grundrecht mit anderen Rechten abwägen müsse. Deshalb habe Luxemburgs Kirche auch Verantwortung übernommen, öffentliche Gottesdienste untersagt und später ein Schutzkonzept ausgearbeitet. Das liegt nun aber bereits seit rund zwei Wochen bei Regierungschef Xavier Bettel (Demokratische Partei) – ohne eine Antwort auf den Vorschlag.

Chronik eines Trauerspiels

Es ist die Chronik eines Trauerspiels: Als Mitte März Luxemburgs blau-rot-grüne Regierung das Herunterfahren des öffentlichen Lebens beschloss, hat zeitgleich das Erzbistum Luxemburg ohne zu zögern das religiös-kirchliche Leben eingeschränkt. Öffentliche Gottesdienste wurden mit sofortiger Wirkung untersagt; Tauf- und Hochzeitsfeiern wurden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben; die Kinderkatechese findet seitdem nur noch digital statt. Und selbst Jean-Claude Kardinal Hollerich ging vierzehn Tage in Quarantäne, nachdem ein Mitarbeiter der Bistumsleitung positiv auf Covid-19 getestet wird.

Die ursprünglich bis 3. April geltenden Maßnahmen wurden einige Tage später bis Ende April verlängert. Die Osterfeierlichkeiten fanden wie im europäischen Ausland ohne physische Präsenz der Gläubigen statt. Am 20. April ordnete das erzbischöfliche Ordinariat erneut eine Verlängerung des öffentlichen Gottesdienstverbotes an – mit dem Hinweis, dass man an einem Schutzkonzept für die Wiederaufnahme der Liturgien arbeitet. Die Erstkommunionfeiern sowie Firmungen sollen unabhängig von den Lockerungen frühestens Mitte September stattfinden. Man wolle sich mit den staatlichen Behörden kurzschließen, um die Lockerungen auch im kirchlichen Raum koordiniert angehen zu können.

Am 6. Mai legte die Bistumsleitung dem Staatsministerium schließlich ein Schutzkonzept vor. Trotz mehrfacher Nachfrage blieb eine Antwort von Regierungschef Bettel, der zeitgleich als Kultusminister fungiert, aber aus. Auch auf eine SMS seines Weihbischofs Leo Wagener habe er nicht geantwortet, sagte Hollerich. "Absolut keine Reaktion, kein Dialog." Wenn dies der Platz der Kirche in der Gesellschaft in Luxemburg sei, dann könne es "in den kommenden Jahren noch heiter werden", so der Kardinal.

Bild: ©KNA/Paul Haring/CNS photo

Kardinal Jean-Claude Hollerich ist Erzbischof von Luxemburg und Vorsitzender der europäischen Bischofskonferenzen (COMECE).

Die einzige Information, die die Bistumsleitung bekamt: Die Anfrage wurde an das Gesundheitsministerium weitergeleitet. Von dort hieß es jedoch nur, dass kulturelle, soziale, festliche und sportliche Aktivitäten, die in Räumen stattfinden, bis auf weiteres untersagt seien. Aber sind die Gottesdienste nur eine kulturelle Aktivität? "Dann freue ich mich schon jetzt auf die staatlichen Zuschüsse, die wir bekommen werden", sagte Hollerich. Oder ist die Kirche eine sportliche Einrichtung? "Dann muss ich noch fleißig trainieren." Man habe daher erneut versucht, den Staatsminister zu erreichen, berichtete der Erzbischof. Aber ohne Erfolg. "Ich habe mit Bischöfen aus dem Ausland darüber gesprochen. Die waren alle entsetzt", sagte Hollerich, der auch Vorsitzender der europäischen Bischofskonferenzen (COMECE) ist.

Der kirchliche "Lockdown" in Luxemburg wird umso schmerzhafter empfunden, wollte das Erzbistum in diesem Frühling den 150. Jahrestag seiner Gründung mit verschiedenen Veranstaltungen feiern. Doch mussten diese mindestens verschoben, viele jedoch ganz abgesagt werden. Auch die vierzehntätige Wallfahrt zur Trösterin der Betrübten in der Kathedrale von Luxemburg – Höhepunkt des kirchlichen Lebens im 650.000 Einwohner zählenden EU-Gründungsland – fand nur als "e-Wallfahrt" statt. Statt analog auf Tuchfühlung mit der Gnadenmutter, immerhin Stadt- und Landespatronin Luxemburgs, zu gehen, wurde das Pilgern kurzerhand ins Wohnzimmer verlegt.

Als am 11. Mai inmitten der "Muttergottesoktav" das öffentliche Leben wieder hochgefahren wurde, Schulen, Frisörläden und Geschäfte öffneten, waren die Gläubigen zuversichtlich, auch wieder den Glauben in der Gemeinschaft feiern zu dürfen und physisch – mit den nötigen Abstandsregeln und Schutzmaßnahmen – an den Gottesdiensten teilzunehmen, die in Luxemburg mehrsprachig angeboten werden. Allein in der Stadt Luxemburg beträgt der Anteil an Ausländern über 68 Prozent. Für viele immigrierten Katholiken bedeutet der sonntägliche Gottesdienstbesuch ein Stück Heimat, auf das man seit Mitte März allerdings verzichten muss.

Am Dienstag reagiert auch die Regierung

Seit Wochen bekommt Kardinal Hollerich Briefe und E-Mails von Gläubigen. Sogar auf der Straße wurde er auf die fehlenden öffentlichen Gottesdienste angesprochen. "Diesen Gläubigen bin ich eine Antwort schuldig", sagte der Oberhirte am Wochenende. Vielleicht kann er diese Antwort bald geben: Am Montag hatte zunächst die Fraktionsvorsitzende der Christlich-sozialen Partei (CSV) auf Facebook eine Ausschusssitzung des Parlaments gefordert. "Wir dürfen die Kirche nicht länger ignorieren", schrieb Martine Hansen.

Am Dienstag reagierte schließlich auch Premier Xavier Bettel auf die Kritik. Demnach werde es am Freitag zu einer Unterredung zwischen der Regierung und den Vertretern der Kultusgemeinden kommen. Es sei wichtig, dass die Gottesdienste so schnell wie möglich wieder erlaubt werden, so Bettel. Auf ein konkretes Datum, wann die Kirchen, Synagogen und Moscheen ihre Türen wieder öffnen können, wollte er sich aber nicht festlegen. Eine Entscheidung werde frühestens am 25. Mai fallen.

Von Marc Jeck

19.05.2020, 16:25 Uhr: aktualisiert um Stellungnahme der Regierung vom Dienstag