Johanna Rahner: Glaubensinhalte und Kirchenlehren nicht unveränderlich
Die Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner hat sich gegen die Vorstellung von unveränderlichen Glaubensinhalten und Kirchenlehren gewandt. Der Grundsatz, wonach sich Kirche immer verändern muss, um auf Zeitfragen und Entwicklungen zu reagieren, gelte auch für Dogmen und Glaubensfragen. Wer von "ewigen Wahrheiten" schwadroniere, gleite in eine Ideologie der "Geschichtsenthobenheit" ab, sagte Rahner am Dienstag bei einer Online-Tagung der Katholischen Akademie Freiburg. Es gelte, bei Glaubenssätzen immer zwischen zeitlich bedingter Ausdrucksform und dem beabsichtigten Sinn zu unterscheiden.
Die Theologin forderte, eine im 19. Jahrhundert gründende Ablehnung von gesellschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu überwinden. Die Kirche müsse Freiheit, Pluralität und Demokratie als Chance, nicht als Bedrohung verstehen. Entscheidend sei es zudem, Glaubensfragen und Strukturfragen in Einklang zu bringen. "Wenn wir an ein kommunikatives Miteinander von Gott und Mensch glauben, dann muss sich das auch in den kirchlichen Strukturen widerspiegeln", so Rahner. Für eine Männer- oder Klerikerherrschaft sei dann kein Platz.
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller rief dazu auf, Chancen des Kirchenrechts für demokratische und synodale Reformen in der katholischen Kirche zu nutzen. So sei es beispielsweise möglich, Nicht-Priester mit der Gemeindeleitung zu beauftragen. Ein wichtiger Schritt sei die von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) geplante Einrichtung von kirchlichen Verwaltungsgerichten. Auf dieser Basis könne jedes Kirchenmitglied nahezu alle kirchlichen Verwaltungsakte von unabhängigen Gerichten überprüfen lassen. "Allerdings muss der Vatikan der Errichtung dieser Gerichte noch zustimmen, ich erwarte aber, dass er die Pläne positiv bewertet", so Schüller. Der Kirchenrechtler forderte auch größere Entscheidungs- und Verantwortungsbefugnisse der Kirchen vor Ort. Beispielsweise müsse die Praxis des "Nihil obstat" abgeschafft werden, wonach der Vatikan die Ernennung von Professoren an katholischen theologischen Hochschulen bestätigen muss.
Striet: Zeit für Veränderungen läuft ab
Dass die Reformgespräche des Synodalen Wegs zu mehr Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche führen können, hofft die stellvertretende Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Claudia Lücking-Michel. Viele Katholiken forderten Veränderungen hin zu einer Kirche, in der Frauen und Männer wirklich gleichberechtigt sind, die sich für sozial Schwache einsetzt und in der der christliche Glaube als befreiend und sinnstiftend gelebt werden kann, sagte Lücking-Michel.
Der Freiburger Theologe Magnus Striet argumentierte, die Zeit für echte Veränderungen laufe ab. Es brauche jetzt eine offene Debatte über die Verteilung und Kontrolle von Macht in der Kirche. Wer Reformen weiter verzögere, nehme in Kauf, dass sich Menschen endgültig abwendeten, so Striet. Nach wochenlanger Corona-bedingter Schließung organisierte die Katholische Akademie erstmals wieder eine Tagung. An der Veranstaltung beteiligten sich über Videokonferenz rund 50 Teilnehmer.
DBK und ZdK organisieren derzeit Beratungen zu zentralen Zukunftsfragen der Kirche. Beim sogenannten Synodalen Weg geht es um Macht, Sexualmoral, das Priesterbild und um die Rechte von Frauen in der Kirche. Wegen der Corona-Pandemie wird der Austausch derzeit vor allem über das Internet organisiert. (tmg/KNA)