Kirchensteuer nur an lebendige Gemeinden? Kirchenrechtler übt Kritik
Der emeritierte Würzburger Kirchenrechtler Heribert Hallermann hat den Vorschlag des Münchner Pastoraltheologen Andreas Wollbold kritisiert, die Kirchensteuer künftig gezielt einzelnen Gemeinden oder Klöstern zu widmen. Hier werde keine "Reform", sondern die Abschaffung der Kirchensteuer vorgeschlagen, sagte Hallermann katholisch.de am Donnerstag. Wollbold wisse, dass die Kirchensteuer wie jede Steuer im Sinne der Abgabenordnung eine Geldleistung an die Kirche sei, "die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellt".
Der Pastoraltheologe Wollbold hatte sich in einem Interview mit der "Tagespost" dafür ausgesprochen, dass Kirchensteuerzahler mit ihrem Geld gezielt Gemeinden und Klöster und damit "lebendige Zentren der Kirche" stärken können sollten. Spätestens mit dem durch die Corona-Krise bedingten deutlichen Einbruch der Kirchensteuer sei es an der Zeit, "schöpferische Destruktion" zu wagen, so der Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Universität München. Wollbold befürchtet, dass man stattdessen "das System um jeden Preis halten" wolle und dafür dort sparen würde, wo sich kein lautstarker Widerspruch erhebe.
Hallermann: Wollbold entlarvt Verschwörungstheorie
Hallermann glaubt, dass die aktuelle Pandemie lediglich in Anspruch genommen wird, "um einer wiederholt vorgetragenen Agenda mehr Gehör zu verschaffen". Wenn Wollbold fürchte, dass man "das System um jeden Preis halten" wolle, entlarve er damit nur die Verschwörungstheorie, die Kirche in Deutschland sei durch die Kirchensteuer "zu einem bürokratischen, schwerfälligen und faulen Apparat geworden, in dem Gremienkatholiken und Verbandsfunktionäre die Macht übernommen hätten und sich selbst nährten", so Hallermann. Zu dieser Verschwörungstheorie gehöre auch, dass eine Kirche, die von der Hand in den Mund leben müsse, "ohne Weiteres auch eine lebendige, aktive und missionarische Kirche wäre". "Der Beweis für die Richtigkeit dieser These ist allerdings noch von niemandem erbracht worden", sagte der Kirchenrechtler.
Bisher wird die Kirchensteuer wie andere Steuern ohne direkten Einfluss der steuerpflichtigen Personen erhoben. Die Zuweisungen von Kirchensteuermitteln an einzelne kirchliche Stellen erfolgt auf Grundlage von Wirtschafts- und Haushaltsplänen, die von Kirchensteuerräten beschlossen werden. Diesen Gremien gehören auch gewählte von der Kirche wirtschaftlich unabhängige Laien an.
Natürlich könne man streiten, ob besser die Diözesen oder die einzelnen Kirchengemeinden Gläubiger der Kirchensteuer sein sollen, sagte Hallermann. Es gebe aber gute Gründe dafür, "dass in Deutschland von einem Gemeinde- zu einem Diözesansteuersystem gewechselt wurde, an dessen Aufkommen die Kirchengemeinden beteiligt werden". So werde etwa – im Sinne der Subsidiarität – die Erfüllung übergemeindlicher Aufgaben ermöglicht. Es gebe einen Finanzausgleich zwischen reicheren und ärmeren Gemeinden und Diözesen. Außerdem sei die Kirche in ihrem Handeln frei von Abhängigkeiten gegenüber örtlichen Großspendern. (bod)