Berliner Schloss: Erzbischof Koch verteidigt umstrittenen Bibelspruch
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat das Kreuz und den Bibelspruch auf der Kuppel des wiedererrichteten Berliner Stadtschlosses verteidigt. "Wenn Christen sich vor dem aufgerichteten Kreuz verneigen, verneigen sie sich vor Gott. Es gehört zum Kern unseres Glaubens, dass sich Jesus Christus am Kreuz als der alle Menschen liebende Gott zeigt. Die beiden Bibelverse auf der Kuppel des Stadtschlosses betonen, dass die Menschen sich nur vor Gott verbeugen und keiner irdischen Macht diese Ehre erweisen sollen. Welche Freiheit spricht aus diesen Worten", sagte Koch am Dienstag in Berlin. Dass das Kreuz politisch missbraucht worden sei und werde, sei kein Argument gegen seine Botschaft.
Gerade als Teil eines Denkmals rufe die Inschrift alle Menschen dazu auf, darüber nachzudenken, "vor wem und vor was Du Dich beugst und verbeugst", so Koch weiter. Die Idee, das Kuppelkreuz bei der Rekonstruktion des Stadtschlosses wegzulassen, wäre nach seiner Überzeugung ein zutiefst ungeschichtlicher Akt gewesen. "Es bei der Rekonstruktion nicht vorzusehen, wäre auch eine religiöse Aussage, die einer liberalen Stadt wie Berlin nicht guttut", betonte der Erzbischof wörtlich.
Das Kreuz war am Freitagabend auf die Kuppel über dem Westportal des wiedererrichteten Schlosses aufgesetzt worden. Bereits ein paar Tage zuvor war der Bibelspruch unterhalb der Kuppel erstmals sichtbar geworden. In goldenen Buchstaben steht dort: "Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." Der Spruch ist eine Kombination aus zwei Bibelstellen (Apostelgeschichte 4,12 und Philipper 2,10) und wurde vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. verfasst. Dies tat er auch, um im Zuge der von ihm abgelehnten Revolution von 1848/1849 das Gottesgnadentum seiner Herrschaft und das aus heutiger Sicht verhängnisvolle Bündnis von Thron und Altar gegen die Forderungen nach einer Demokratisierung des Herrschaftssystems zu verteidigen. Gleiches gilt für das Kreuz, das ebenfalls erst auf Initiative Friedrich Wilhelms auf das Schlossdach gesetzt wurde.
Das Aufsetzen des Kreuzes und der Bibelspruch haben den seit Jahren schwelenden Streit um religiöse Elemente auf dem Humboldt Forum in den vergangenen Tagen neu entfacht. Während Befürworter der Rekonstruktion auf das historische Vorbild des 1950 gesprengten Originalgebäudes verweisen, empören sich die Gegner über die christlichen Symbole auf dem Gebäude. Schließlich, so lautet ein Argument, soll im künftigen Humboldt Forum vor allem außereuropäische Kunst präsentiert werden – unter anderem aus Afrika und Amerika. Gerade auf diesen beiden Kontinenten sei unter dem Deckmantel des christlichen Kreuzes in der Vergangenheit viel Unheil angerichtet worden.
Standpunkt: Das Kreuz droht zur Hypothek für das Berliner Stadtschloss zu werden
Um das Kreuz auf dem Berliner Stadtschloss wurde schon vor Jahren gestritten – doch gelöst wurde der Konflikt nicht. Wenn die Debatte jetzt nicht nachgeholt wird, droht dem Humboldt Forum dauerhafter Schaden, kommentiert Steffen Zimmermann.Der evangelische Landesbischof Christian Stäblein hatte bereits am Wochenende betont, dass er das Kuppelkreuz vor allem als Verpflichtung sehe. Das Kreuz sei das zentrale christliche Symbol, das viel Missbrauch in seiner Geschichte überstanden habe, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Seine Botschaft laute Hingabe, Vergebung und Versöhnung, "nicht Dominanz und Herrschaft", betonte Stäblein: "Sein Gold strahlt für alle, die ausgegrenzt und erniedrigt werden."
Dagegen hinterlasse das Spruchband bei ihm Skepsis. "Intolerante Exklusivitätsansprüche sind – auch als historische Zitate – gefährlich und brauchen Gegenbilder", so Stäblein Das Humboldt Forum werde für diese Gegenbilder sorgen. Auch das geplante "House of One", ein gemeinsames Haus für die Religionen, das derzeit in der Nähe des Stadtschlosses entstehe, werde ein solches Gegenbild sein. "Wir brauchen diese Zeichen der Gemeinschaft und der Augenhöhe mehr denn je", sagte der Bischof.
Noch wesentlich deutlicher hatte sich zuvor der Berliner Rabbiner Andreas Nachama mit Blick auf die Inschrift geäußert. In einem Kommentar für die "Jüdische Allgemeine" stellte er am vergangenen Donnerstag die Frage, ob Berlin eine Stadt der Toleranz sei, in der Christen, Juden, Muslime, Religionslose und Religionskritiker friedlich nebeneinander leben und "auf Augenhöhe respektvoll miteinander umgehen" könnten. "Nein. Berlin ist eine Stadt, die offenbar weiter mit der Vorstellung lebt, dass allein Kreuz und Christentum glückselig machen", so der Rabbiner. Nachama sprach sich dafür aus, dass Erzbischof Koch und Landesbischof Stäblein an der Spitze einer Bürgerinitiative dafür plädieren sollten, den die Kuppel umrundenden Spruch zu beseitigen, "denn im Jahr 2020 sollte es einen solchen Rückfall in die Gedankenwelt eines Preußenkönigs nicht geben". (stz)