Was die Kirche unter der Feier der Verlobung versteht
Zur Vorbereitung der Hochzeit nehmen sich die meisten heiratswilligen Paare viel Zeit. Alles muss schließlich stimmig sein, am "schönsten Tag des Lebens". Vor allem gehört für viele Brautpaare immer noch der kirchliche Segen zur Hochzeit dazu: Auch, wenn sie vielleicht nicht so an die Kirche gebunden sind, wollen sie doch die kirchliche Trauung. An der liturgischen Feier kommen sie nicht vorbei, auch wenn die Entscheidungsgründe für diese Art der Eheschließung sicher höchst unterschiedlich sein mögen. Hochzeit und Gottesdienst, das ist doch eine Melange, die nicht so leicht auseinander zu dividieren ist.
Doch neben der liturgischen Feier der Trauung kennt die Kirche noch eine andere Feierform, die eng mit dem Entschluss zur Ehe verbunden ist: die Verlobung. Das klingt zunächst erstaunlich, denn der Akt der Verlobung ist doch – so vermittelt es zumindest Hollywood – ein höchst intimer, romantischer Augenblick, der zuerst das zukünftige Brautpaar angeht. Und wenn diese Bekundung des Ehewillens schon gefeiert werden soll, dann bietet sich dafür vor allem der Familienkreis an, mit dem man die Vorfreude auf die anstehende Hochzeit teilen möchte. Dass es dafür überhaupt eine liturgische Segensfeier gibt, wird den meisten Brautpaaren wohl fremd sein.
Hoher Stellenwert der Verlobung schon in der altorientalischen Gesellschaft
Schon in der altorientalischen Gesellschaft besaß die Verlobung einen hohen Stellenwert: So heißt es im Buch Deuteronomium, dass der Beischlaf mit einer verlobten Frau mit der Steinigung und dem Tod bestraft werden soll (vgl. Dtn 22,23f). Das Strafmaß ist außergewöhnlich hoch und gerade dies zeigt sehr offensichtlich, dass die Verlobung eben nicht nur ein bloßes Versprechen war, das man jederzeit wieder lösen konnte. Das Paar, das durch die Verlobung vereint war, lebte gewissermaßen bereits in einer Verbindung, die der Ehe sehr nahekommt. Der Akt der Verlobung geschah durch die Aufsetzung des Ehevertrags und die Übergabe des Brautpreises; bis zur Eheschließung wohnte die Braut noch im Haus des Vaters, gehörte aber rechtlich gesehen schon zum Ehemann. Erst bei der Eheschließung zog die Braut dann ins Haus des Bräutigams. Eine Auflösung der Verlobung war durch die Rückzahlung des Brautpreises an den Brautvater möglich. Wie hoch das Ansehen der Verlobung war, zeigt ein neutestamentliches Beispiel sehr deutlich: Josef, der mit Maria verlobt war, will sich heimlich von ihr trennen, um sie in der Öffentlichkeit nicht bloßzustellen (vgl. Mt 1,18f). Die Auflösung der Verlobung war also durchaus mit Konsequenzen verbunden und weit mehr, als das bloße Beenden einer Liebesbeziehung.
Freilich: Die Zeiten haben sich grundlegend verändert und auch das Verständnis der Verlobung ist ein anderes geworden. Heutzutage meint die Verlobung mehr das öffentliche Bekunden der Heiratsabsicht und eine Entscheidung im Blick auf eine angedachte Eheschließung. Selbst das geltende Kirchenrecht kennt nur einen Canon, der sich mit dem Verlöbnis auseinandersetzt. In can. 1062 §1 CIC/1983 heißt es: "Das Eheversprechen, sei es einseitig oder zweiseitig, das man Verlöbnis nennt, richtet sich nach dem Partikularrecht, das von der Bischofskonferenz unter Berücksichtigung von Gewohnheiten und weltlichen Gesetzen, soweit es welche gibt, erlassen worden ist." Da es keine partikularrechtlichen Bestimmungen der Deutschen Bischofskonferenz gibt, die sich näher auf die Verlobung beziehen, bleibt sie rechtlich nicht näher bestimmt. Interessant jedenfalls ist der zweite Paragraf des can. 1062, der darauf hinweist, dass zwar aufgrund eines Eheversprechens "nicht auf Eheschließung, wohl aber auf Wiedergutmachung etwa entstandener Schäden geklagt werden". Konkret bedeutet das: Die Verlobung ist zwar Ausdruck, miteinander den Bund der Ehe schließen zu wollen, doch kann die Verlobung auch gelöst werden, ohne dass die Eheschließung eingeklagt werden könnte. Dieselben Regelungen, die das kirchliche Gesetzbuch vorschreibt, gelten zumindest in Deutschland auch in der staatlichen Rechtsprechung: So kennt auch das Bürgerliche Gesetzbuch die Klage auf möglichen Schadensersatz, falls die Verlobung aufgehoben wird.
Wenngleich es also nach wie vor einen großen Unterschied zwischen der öffentlichen Bekundung, miteinander die Ehe eingehen zu wollen im Akt der Verlobung, und dem konkreten Vollzug der Eheschließung gibt, so ist es doch ein wichtiger Moment im Leben von zwei Menschen, der gewürdigt werden sollte. An solchen Schwellensituationen des menschlichen Lebens sind besonders Segensfeiern eine gute Möglichkeit, um das gemeinsame Leben unter den Schutz Gottes zu stellen und den künftigen Weg seiner Fürsorge anzuvertrauen.
Die Studienausgabe des deutschen Benediktionale bietet für die Verlobung eine solche Feierform an. Im einführenden Text zur Feier, die sich unter der Rubrik "Segnungen im Leben der Familie" befindet, heißt es: "Die Verlobung ist der Ausdruck des festen Willens zweier Menschen, miteinander die Ehe einzugehen. Die Bekundung dieser Absicht ist so bedeutsam, dass eine religiöse Gestaltung der Verlobungsfeier sinnvoll ist." Das Modell, das im Benediktionale angeboten wird, ist relativ einfach gestaltet. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass die Feier nicht nur von einem Priester, sondern von einem Elternteil geleitet werden kann. Dies zeigt, dass es hierbei in erster Linie nicht um einen hochoffiziellen Akt geht, vielmehr ist an eine Segensfeier im Rahmen der Familie als der "Hauskirche" zu denken. Vielleicht ist es auch ganz gut, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Verlobung eben noch nicht die Eheschließung ist und auch keinen sakramentalen Charakter besitzt. Mit dem Ringtausch und dem Segensgebet bietet die vorgeschlagene Feier durchaus Anklänge an die Trauung. Wenngleich damit eigentlich nur das in einem gottesdienstlichen Rahmen rezipiert wird, was gesellschaftlich allgemein üblich geworden ist: Das Anstecken eines Rings hat sich ja größtenteils bereits für die Verlobung eingebürgert.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Feier der Verlobung, wie sie das Benediktionale vorschlägt, vor allem für den Familienkreis angedacht ist, in dem die gemeinsame Verlobung mit einem kleinen Segensgottesdienst begangen wird. Hierbei soll besonders der Unterschied zwischen Verlobung und Trauung deutlich zum Ausdruck kommen: Während die Eheschließung in der Kirche und vor Zeugen begangen wird, gehört die Bekundung des Ehewillens in den engsten Familienkreis. Interessant ist, dass die Dokumente zur Erneuerung der Liturgie einen Umstand sehr nachdrücklich betonen: "Die Verlobung oder eine besondere Segnung von Verlobten soll aber niemals mit der Messfeier verbunden werden." Auch diese Ermahnung dient wohl dazu, jede Möglichkeit, Verlobung und Eheschließung zu verwechseln, von vornherein zu unterbinden. Ebenso soll vermieden werden, dass die Verlobten unter Druck gesetzt werden, das Sakrament der Ehe eingehen zu müssen.
Wie kann eine solche Feier konkret aussehen?
Wie kann nun eine solche Feier konkret aussehen? Im neuen Gotteslob jedenfalls wurde es versäumt, die Verlobung als solche überhaupt zu thematisieren; nur im Eigenteil des Erzbistums München und Freising gibt es einen Modellvorschlag. Wenn man sich an der Feier orientiert, wie sie sich im Benediktionale vorfindet, kann die Verlobungsfeier als kurzer Wortgottesdienst gestaltet werden: Nach der Eröffnung und einer kurzen Einführung wird ein Wort aus der Heiligen Schrift gelesen. Den Umständen entsprechend kann in einer kurzen Ansprache das gehörte Gotteswort ausgelegt werden. Daran schließen sich die Segnung der Ringe, die unter den Verlobten ausgetauscht werden, und ein Segensgebet an. Den Abschluss der Feier bilden Fürbitten, das Gebet des Herrn und die Segensbitte.
Gerade auch im Hinblick auf eine intensive Zeit der Ehevorbereitung, die als Ehekatechumenat gestaltet sein kann, ist die Feier der Verlobung im Rahmen eines kleinen Segensgottesdienstes sicher ein schöner Startschuss. Und es ist auch ein schöner Ausdruck, wenn man im Familienkreis, diesen wichtigen Schritt für ein Paar miteinander feiert.