Gemeinden reagieren mit kreativen Ideen auf die Pandemie-Beschränkungen

Katholiken feiern Fronleichnam – Wegen Corona kaum Prozessionen

Veröffentlicht am 11.06.2020 um 15:51 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wegen der Corona-Pandemie fast ohne die sonst üblichen Prozessionen haben Katholiken in ganz Deutschland am Donnerstag das Fest Fronleichnam gefeiert. Viele Bischöfe nahmen in ihren Predigten zu aktuellen Themen wie der Pandemie oder dem Tod des Schwarzen Georg Floyd in den USA Stellung.

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Katholiken in ganz Deutschland haben am Donnerstag das Fronleichnamsfest gefeiert. Der mittelalterliche Name bedeutet so viel wie "Fest des Leibes und Blutes Christi"; das Fest erinnert an die Gegenwart Jesu im Sakrament der Eucharistie. Wegen der Corona-Pandemie fielen die sonst üblichen Prozessionen meist aus. Auch Traditionen wie die Seeprozession auf dem Staffelsee in Oberbayern oder die seit dem 14. Jahrhundert überlieferte "Mülheimer Gottestracht" auf dem Rhein in Köln wurden gestrichen. In vielen Städten fanden allerdings Freiluftmessen auf zentralen Plätzen statt.

Mancherorts erprobten Gemeinden auch kreative Formen: So kamen in Speyer jeweils drei Abgesandte von den fünf katholischen Kirchen der Stadt in einer Sternwallfahrt mit Kreuz, Fahne und Blütenkorb zum Dom. In Köln führte Kardinal Rainer Maria Woelki nach dem Festgottesdienst auf dem Domplatz eine kleine, geschlossene Sakraments-Prozession durch Straßen der Innenstadt.

Oldtimer-Pick-Up als fahrender Altar in Köln-Porz

Im westfälischen Holzwickede ging nach dem Festgottesdienst eine Gruppe von Gläubigen und Priestern mit der Monstanz und dem geweihten Brot zu Seniorenheimen, einer Begegnungsstätte und einer Familie. In Köln-Porz wurde ein roter Oldtimer-Pick-Up zum fahrenden Altar mit Baldachin und Monstranz. Bei der Fahrt zu verschiedenen Kirchen fuhren Messdiener und Pastor mit Fahrrädern voran, es folgte das Monstranz-Gefährt sowie ein Fahrzeug mit Kirchenmusikern.

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In Saarbrücken luden die katholischen Innenstadtkirchen zur etwas anderen Prozession ans Ufer der Saar ein. Per Schiff fuhren drei Priester durch das Stadtgebiet und segneten die Mitfeiernden am Ufer. In Düsseldorf spendete der künftige Stadtdechant Frank Heidkamp den traditionellen Segen aus luftiger Höhe von 168 Metern auf der Aussichtsplattform des Fernsehturms neben dem Landtag.

Der Limburger Bischof Georg Bätzing wies in seiner Fronleichnamspredigt erneut Vorwürfe zurück, die Kirche habe sich in der Corona-Krise zu sehr zurückgezogen. "Das Gegenteil ist der Fall", so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Bätzing betonte, Tausende Mitarbeiter der Caritas hätten in sozialen und pflegerischen Einrichtungen wichtige Leistungen erbracht, ebenso Erzieherinnen in der Notbetreuung. "Die Seelsorgerinnen und Seelsorger haben überaus kreativ den Kontakt zu den Gläubigen gesucht", lobte er. Bätzing rechtfertigte auch noch einmal den Verzicht auf öffentliche Gottesdienste und Prozessionen. Für viele Gläubige sei das sehr bedrückend gewesen. Er sei oft aufgefordert worden, trotz der Abstands-, Besuchs- und Ausgangsverbote gemeinsame Messen zu feiern und den Kranken die Kommunion zu reichen. Er habe sich dieser Forderung nicht anschließen können. Der schnelle Rückgang der Zahlen schwer Erkrankter und Verstorbener zeige, dass das klug gewesen sei.

Woelki: Gott kenne kein "social" oder "physical distancing"

Kardinal Woelki rief zur Solidarität mit allen Menschen auf, die besonders unter der Pandemie leiden. Die Krise habe "die Abgründe und die Verwundbarkeit" des Zusammenlebens aufgedeckt, so der Erzbischof im Gottesdienst auf dem Roncalli-Platz am Kölner Dom. An Fronleichnam feiere die Kirche, dass Christus in den heiligen Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig sei. Gott kenne kein "social" oder "physical distancing" und helfe, dieses zu überwinden.

Die Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie können nach Ansicht des Münchner Kardinals Reinhard Marx helfen, den Blick für den Wert von Religion zu schärfen. Durch das Bekenntnis zur Wirklichkeit Gottes werde der Alltag durchbrochen, sagte der Erzbischof von München und Freising im Münchner Liebfrauendom.

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Video: © katholisch.de

Fronleichnam? Da war doch was – irgendwas mit Jesus. Aber was genau wir an diesem Tag eigentlich feiern, erklärt katholisch.de in einer guten Minute.

Hamburgs Erzbischof Stefan Heße verurteilte in seiner Predigt den Tod des Schwarzen George Floyd bei einem Polizeieinsatz in den USA. "Gott wollte das nicht. Für jeden gibt es einen Platz", sagte er in einem ARD-Fernsehgottesdienst in Hamburg. Kein einziger Mensch dürfe unterdrückt werden, so Heße in seiner Predigt. Die Corona-Krise bedeutet nach Worten des Erzbischofs für viele Menschen einen großen Verzicht. "Wir sehnen uns nach Beziehung und vermissen sie jetzt in der gewohnten Weise sehr." Der Mensch brauche Freundschaften, Nähe und Kontakte. "Ohne sie können wir nicht leben."

Bischof Meier: Jesus will keine "Konservenkirche"

Der neue Augsburger Bischof Bertram Meier rief die Kirche zur Weiterentwicklung auf. Im Fest Fronleichnam stecke die Botschaft, Christen sollten "voranschreiten, Fortschritte machen", sagte Meier am Donnerstag. "Wer eine Prozession machen will, darf nicht auf der Stelle treten; er muss voranschreiten. Das gilt auch für unser kirchliches Leben. Wir dürfen nicht auf der Stelle treten, wir müssen uns weiterentwickeln." Wer auf der Stelle trete, könne Sauerkraut stampfen und konservieren, "aber Jesus will keine 'Konservenkirche', keinen sauertöpfischen Verein, sondern eine lebendige und liebenswerte Gemeinschaft mit Esprit", so der Bischof.

Fuldas Bischof Michael Gerber rief die Menschen zum Durchhalten in der Corona-Krise auf. "Die aktuelle Pandemie ist kein Kurzstreckenlauf", sagte Gerber in seiner Predigt. Der "erste Sprint" sei längst vorüber. Dies sei jene Phase vor Ostern gewesen, "als viele von uns sich darum bemühten, die Folgen des sogenannten Lockdowns einigermaßen sportlich zu nehmen". Damals seien "kreative Formen im Umgang mit der neuen Situation" zu beobachten gewesen. "Doch so manche Energie ist längst verbraucht", sagte der Bischof. Der Schlusspunkt der Pandemie sei "noch längst nicht in Sicht". Wie beim Marathon kämen nun "die Momente, wo es an die Reserven geht" und sich das Feld stark auseinander ziehe. (stz/KNA)