Frankfurter Regens: Priesterausbildung kann auch zu zentral sein
Münster, Mainz und München: Wenn es nach einem Vorschlag des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) geht, sollen Priesteramtskandidaten künftig nur noch an diesen drei Standorten studieren; die voruniversitäre Einführungsphase (Propädeutikum) soll in Freiburg und Bamberg, der nachuniversitäre Pastoralkurs in Paderborn, Erfurt, Rottenburg-Stuttgart und einer noch zu benennenden bayrischen Stand absolviert werden. Eine renommierte Hochschule mit angeschlossenem Priesterseminar findet keine Erwähnung: die von Jesuiten betriebene Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Regens des Priesterseminars dort ist der Jesuitenpater Herbert Rieger.
Frage: Herr Rieger, wie haben Sie den Vorschlag zur Priesterausbildung aufgenommen?
Rieger: Das Vorhaben war bekannt. Seit fast zwei Jahren läuft im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz ein geistlicher Prozess, um die Standortfrage voranzubringen. Dass in dem Vorschlag bereits drei konkrete Orte genannt werden, hat uns allerdings überrascht.
Frage: Sankt Georgen kommt in dem Papier nicht vor. Bedeutet dieser Vorschlag also Ihre Abschaffung?
Rieger: Davon gehe ich nicht aus. Ich denke, wir müssen in einem nächsten Schritt in die Diskussion über die Orte und die Evaluation deren verschiedener Möglichkeiten einsteigen – und das auf der Grundlage der Kriterien, die der Ständige Rat festgelegt hat. An den bisherigen Reaktionen der Bischöfe haben wir gemerkt, dass diese Diskussionen und die lokalen Traditionen äußerst komplex sind. Die Frage ist auch, ob so eine radikale Lösung nicht zu radikal ist, um die Leute mitzunehmen.
Frage: Aber durch die vielen Standorte und die wenigen Priester werden doch momentan sehr große Strukturen mit nur sehr wenigen Teilnehmern aufrechterhalten, die den Kirchensteuerzahlern nicht mehr vermittelbar sind.
Rieger: Das ist tatsächlich ein entscheidendes Problem. Für eine gute Ausbildung ist vor Ort eine gewisse Größe notwendig. Insofern ist das Bemühen, größere Strukturen zu schaffen, begrüßenswert. Das bringt einen Schub in die Diskussion, die von Seiten der Regenten bereits seit Jahrzehnten geführt wird: Denn zu kleine Standorte sind keine guten Ausbildungsorte. Es gibt allerdings auch eine andere Erfahrung: Auch viele Orden haben nur noch wenig Nachwuchs. Da gibt es schon seit vielen Jahren den Brauch, dass Teile der Ausbildung bei den einzelnen Orden liegen, manche Veranstaltungen aber auch gemeinsam konzipiert werden. Zentrale Lösungen können auch zu zentral sein, manchmal bieten sich eher flexible Lösungen zwischen fixen Orten und fluiden Ausbildungsinhalten an, die berufsübergreifend gemacht werden.
Frage: Was ist denn in Ihren Augen ein idealer Mittelweg?
Rieger: Einer, bei dem viele freiwillig mitgehen können und sich eingeladen fühlen. Bischöfe sind für die Ausbildung ihrer Priester selbst verantwortlich. Niemand kann sie zwingen, ihre Priesteramtskandidaten an einem bestimmten Ort studieren zu lassen. Da kann man nur mit qualitativ guten Angeboten überzeugen und mit Konzepten dafür werben, dass sich Konglomerate bilden, die durch ihre Qualität attraktiv werden – etwa, indem Priesteramtskandidaten gemeinsam mit anderen pastoralen Berufen ausgebildet werden.
Frage: Das passiert in Sankt Georgen ja bereits: Zu Ihnen kommen Priesteramtskandidaten aus unterschiedlichen Bistümern. Trotzdem kommen Sie im Konzept des Ständigen Rates nicht vor.
Rieger: Rein formell scheint es so zu sein, dass das Konzept eine örtliche Fachhochschule für Gemeindereferenten fordert. Die haben wir hier nicht. Ich denke aber, dass wir hier für unsere Priesteramtskandidaten, Pastoralreferentinnen (deren Tätigkeit sich zwar mit der der Gemeiendereferentinnen überschneidet, die aber anders ausgebildet werden) und Ständige Diakone hinsichtlich der akademischen Ausbildung wie auch der geistlichen Begleitung und dem gegenseitigen Kennenlernen der Berufszweige gute Bedingungen haben.
Frage: Wie sehr stehen Sie als Hochschule und Priesterseminar in Gesprächen mit der DBK und einzelnen Bistümern?
Rieger: Wir hatten keinen direkten Kontakt mit der Arbeitsgruppe, die diesen Vorschlag erarbeitet hat – da gab es weder Rücksprachen noch Anfragen. Es gab im letzten Jahr eine Evaluation der Wissenschaftskommission der Bischofskonferenz, wo Sankt Georgen einen hervorragenden Platz eingenommen hat, was die Hochschule an Spezifika und Spezialisierungen bietet. Da sind wir sehr gut aufgestellt. Generell sind wir durch die Bistümer, die ihre Priesteramtskandidaten zu uns schicken, also Limburg, Hamburg, Hildesheim und Osnabrück in den Gesprächen der Bischofskonferenz vertreten.
Frage: Was muss sich generell in der Priesterausbildung tun?
Rieger: Wir haben darüber nach Erscheinen der MHG-Studie 2018 in der Regentenkonferenz diskutiert: Wir brauchen einheitliche Standards für die Persönlichkeitsbildung, die menschliche Reifung und sexualpädagogische Module. Themen wie Zölibatsfragen und Umgang mit Sexualität müssen in der Priesterausbildung einen eigenen, deutlichen Platz bekommen.
Frage: Glauben sie denn, dass die Bischofskonferenz mit ihrem Vorgehen auf dem richtigen Weg ist?
Rieger: Ich sehe die Spannung, dass es einerseits die Freiwilligkeit der Bischöfe braucht, sich andererseits aber auch strukturell etwas bewegen muss. Es kann nicht so viele Ausbildungszentren geben wie bisher. Es gibt schon lokale Kooperationen, die sich entwickelt und auch bewährt haben. So sind in Sankt Georgen in den letzten Jahren Bistümer dazu gekommen. Nun kommen auch Kandidaten aus Dresden, Berlin, Görlitz, Aachen und Trier zu uns. Die Zukunft wird darin liegen, neu nach den Bedürfnissen der Seminaristen zu schauen, welche Ausbildungsformen ihnen im Hinblick auf ihre Erfahrungen, ihre Hintergründe und ihre Entwicklungen guttut. Es müssen Ressourcen an Angeboten und Begleitung an den Standorten ausreichend vorhanden sein. Wir brauchen aber auch die Flexibilität eines fluiden Element, das den unterschiedlichen Bedürfnissen der Seminaristen gerecht wird. Das ganze System auf drei Standorte herunterzukürzen unterschätzt die lokalen Traditionen der Kirche in Deutschland: Die Milieus sind sehr verschieden, ob die Diaspora im Osten, volkskirchliche Elemente in Paderborn oder Trier oder große multireligiöse und interkulturelle Szenarien wie hier in Frankfurt.