Vizepräsident der EU-Bischöfe zur deutschen Ratspräsidentschaft ab 1. Juli

Bischof Overbeck: "Die EU steht vor einer wichtigen Bewährungsprobe"

Veröffentlicht am 27.06.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Brüssel ‐ Am 1. Juli übernimmt Deutschland den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Franz-Josef Overbeck, Vizepräsident der EU-Bischofskommission COMECE, spricht im Interview über die Herausforderungen für das Staatenbündnis angesichts der Corona-Krise.

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Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck (56) ist seit 2018 Vizepräsident der EU-Bischofskommission COMECE in Brüssel. Dort treffen sich regelmäßig Vertreter aller Bischofskonferenzen aus den EU-Mitgliedstaaten. Laut Overbeck wird die Kommission auch während der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands versuchen, ihre Themen und Anliegen einzubringen.

Frage: Herr Bischof, wo steht Europa mit Blick auf die Corona-Pandemie?

Overbeck: Die EU steht vor einer wichtigen Bewährungsprobe. Aufgrund der Corona-Krise zeigen sich viele Herausforderungen deutlicher als vorher. Dazu gehören die Folgen der Globalisierung und der Digitalisierung ebenso wie der Umweltschutz und die Bekämpfung des Klimawandels. Die deutsche Ratspräsidentschaft kann eine Chance sein, viele manchmal auseinanderdriftende Kräfte wieder neu zusammenzuführen. Europa braucht ein starkes Deutschland. Das können wir an der Bundeskanzlerin sehen, die alles dafür tut, die EU zusammenzuhalten.

Frage: Was halten Sie von der Reaktion der EU auf die Corona-Krise?

Overbeck: Es ist mutig und zugleich ausgesprochen ungewöhnlich, ein so großes Finanzpaket zu schnüren. Damit nimmt die EU Aufgaben und Lasten auf sich, die vorher so nicht bei der EU angesiedelt waren. Hier wird deutlich, dass sich die Aufgaben der EU wandeln. Das ist ein gutes Zeichen. Sie zeigt damit, dass sie auf Veränderungen dynamisch reagiert und auch unter neuen Bedingungen handlungsfähig ist.

Frage: Was erwarten Sie von der deutschen Ratspräsidentschaft?

Overbeck: Durch die Krise haben sich die Prioritäten für die deutsche Präsidentschaft verschoben. Im Vordergrund sollte jetzt stehen, die Folgen der Pandemie solidarisch so zu bewältigen, dass Menschen aus ökonomischen und sozialen Notlagen wieder in bessere Lebensverhältnisse kommen. Denken wir nur an die Armen, die vielen Arbeitslosen, aber auch an die Familien.

Die wirtschaftlichen Entwicklungen müssen hinsichtlich ihrer Folgen nicht nur im europäischen, sondern auch im globalen Kontext betrachtet und gestaltet werden. Hier kann Deutschland auch angesichts seiner Wirtschaftskraft eine wirklich wichtige Rolle spielen. Dabei dürfen die ökologische und die soziale Perspektive nicht vergessen werden. Sich dafür einzusetzen und Anwältin zu sein, halte ich für eine der großen Aufgaben der deutschen Ratspräsidentschaft.

Die Flaggen der Europäischen Union.
Bild: ©artjazz/Fotolia.com (Symbolbild)

Duch die Corona-Krise zeigten sich die Herausforderungen für die EU deutlicher als vorher, betont Bischof Franz-Josef Overbeck. Dazu zählt er die Folgen der Globalisierung und der Digitalisierung ebenso wie der Umweltschutz und die Bekämpfung des Klimawandels.

Frage: Welche Rolle spielt die Kirche in der deutschen Präsidentschaft?

Overbeck: Die Kirche ist in den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich aufgestellt. Auch ihre Bedeutung mit Blick auf das Verhältnis zum Staat und zur EU ist sehr verschieden. Wir sind uns aber in der COMECE einig, dass die Grundbotschaft, die die Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus formuliert, jeden von uns verpflichtet. Zudem müssen wir die spirituellen Herausforderungen unserer Zeit neu wahrnehmen. Neben der sozialen und ökologischen Botschaft stehen wir vor allem für die spirituelle Kraft des christlichen Glaubens – und zwar in ökumenischer Verbundenheit – ein.

Frage: Sie haben "Laudato si" angesprochen. Waren Sie überrascht, dass Kommissionschefin Ursula von der Leyen das Thema so prominent auf ihre Agenda gesetzt hat?

Overbeck: Es war ungewöhnlich, dass Frau von der Leyen mit einer solchen Klarheit den Green Deal zu einer ihrer Hauptaufgaben erklärt hat. Wir müssen alles tun, das zu unterstützen. Es ist keine Aufgabe nur für ihre Amtszeit, sondern bleibt eine Daueraufgabe, die wir bewältigen müssen. An den vielen konstruktiven Beiträgen, etwa der Fridays-for-Future-Bewegung, zeigt sich, dass besonders die junge Generation mit ihrem Einsatz aller Art für uns mehr als eine Mahnung und Warnung ist.

Frage: Auch geopolitisch leben wir in einer Zeit der Veränderung. Welche Rolle kommt der Kirche dabei zu?

Overbeck: Die Weltkirche unter der Leitung des Papstes hat eine Riesenchance zur Verkündigung, aber auch in ihrem vielfältigen politischen Engagement. Soziale und ökologische Themen bringen wir dabei immer wieder nach vorne, erst recht in internationalen Zusammenhängen. Wir müssen "katholisch" eben konsequent als weltumspannend denken, also niemals nationalistisch und nicht eng.

Von Franziska Broich (KNA)