Vatikan-Experte Zollner sieht in Missbrauch Grund für Kirchenaustritte
Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat nach Ansicht des vatikanischen Kinderschutzexperten zu den hohen Austrittszahlen in Deutschland geführt. "Natürlich ist das einer der Hauptgründe", sagte der Leiter des Kinderschutzzentrums an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, Hans Zollner, am Montag dem Kölner Internetportal "domradio.de". Er hielt Bischöfe, Priester und Laien an, Aufarbeitungs- und Präventionsmaßnahmen in allen kirchlichen Institutionen umzusetzen, "dass die Menschen merken, dass sie sich in einem sicheren Raum bewegen und dass sie auch wissen, dass Verantwortung übernommen wird, dort, wo Unrecht geschehen ist."
Zollner lobte die Pläne der 27 deutschen Diözesen, Missbrauch unabhängig aufarbeiten zu lassen. "Für viele Leute ist das der Lackmustest, um zu zeigen, dass auch alle Anstrengungen in Prävention auf einer Suche nach Gerechtigkeit ruht und nicht einfach nur ein Lippenbekenntnis ist", so der Jesuitenpater. Als erste Institution in Deutschland hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung eine Vereinbarung zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch abgeschlossen und jüngst unterzeichnet. Demnach soll es in allen 27 (Erz-)Bistümern künftig eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung geben. Darin sollen Vertreter des Bistums, Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie Betroffene sitzen. Einige Bistümer haben bereits mit der Aufarbeitung in eigenen Kommissionen begonnen.
Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben 2019 mehr als 540.000 Mitglieder verloren - so viel wie nie zuvor. Von einem hohen Niveau im Vorjahr ist die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche sprunghaft um 26,2 Prozent auf 272.771 gestiegen. Die evangelische Kirche verzeichnete rund 270.000 Austritte und damit 22,3 Prozent mehr als 2018. Münsters Bischof Felix Genn und der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer nannten als eine Ursache den Missbrauchsskandal. (tmg/KNA)