Benedikts Abschied von seinem Bruder: "Vergelt's Gott, lieber Georg!"
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hat das Wirken des verstorbenen ehemaligen Domkapellmeisters Georg Ratzinger als Priester und Kirchenmusiker gewürdigt. Bei der Totenmesse im Regensburger Dom sprach Voderholzer am Mittwoch von einer "Doppelberufung" und einem "bleibenden Vermächtnis" nicht nur für die Kirche von Regensburg. Ratzingers Lebensleistung verdeutliche, dass Kirchenmusik keine "äußerliche Zutat" zum christlichen Gottesdienst sei. Sie sei selber "ein Medium der Evangelisierung", Chorarbeit und Instrumentalunterricht ein geistlicher Beruf.
Angesichts häufiger Klagen über ein gestörtes Verhältnis zwischen Kirche und Kultur setze die Regensburger Tradition der Kirchenmusik Maßstäbe im positiven Sinn. Über viele bei den Domspatzen geformten Sänger wirke sie in andere Bereiche des kulturellen Lebens hinaus. Dafür sei er "außerordentlich dankbar", sagte Voderholzer.
Benedikt XVI. verfolgte Totenmesse im Livestream
"Das Singen ist selbst eine Art Fliegen", erklärte der Bischof unter Verweis auf einen Psalmvers und seine Interpretation durch Joseph Ratzinger. Gebet und Musik seien miteinander eng verbunden. "Künstlerische Qualität und geistliche Dimension schließen sich nicht aus, sondern wachsen aneinander." Georg Ratzinger habe einen Anspruch auf höchste Qualität mit großer Menschlichkeit verbunden. Davon zeuge die "überwältigende Resonanz" auf das digitale Kondolenzbuch des Bistums. "Es gehört zu seiner Größe, dass er in der Rückschau auch Fehler eingeräumt und dafür um Verzeihung gebeten hat", fügte der Bischof hinzu.
Georg Ratzingers Bruder, der emeritierte Papst Benedikt XVI., reiste nicht nach Regensburg. Er verfolgte die Totenmesse im Livestream. Dadurch sei er mit der feiernden Gemeinde im Regensburger Dom verbunden, sagte Voderholzer zum Auftakt des Requiems. Dabei erinnerte der Bischof noch einmal an Benedikts überraschenden Besuch am Krankenbett seines drei Jahre älteren Bruders vom 18. bis 22. Juni. "Dieses Zeichen der Menschlichkeit hat viele berührt. Umso mehr nehmen wir Anteil an Ihrer Trauer", sagte Voderholzer.
Gänswein trug persönliches Schreiben vor
Anwesend war der emeritierte Papst in einer bestimmten Form trotzdem: Mit persönlichen Worten verabschiedete er sich von seinem älteren Bruder. "Vergelt's Gott, lieber Georg, für alles, was Du getan, erlitten und mir geschenkt hast!", heißt es in einem Schreiben des früheren Kirchenoberhaupts an Voderholzer, das von Benedikts Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, verlesen wurde. Gänswein musste dabei mehrfach um Fassung ringen.
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In dem Schreiben gibt Benedikt XVI. Einblick in seine überraschende Reise nach Regensburg ans Krankenbett seines Bruders. "Er hat nicht um einen Besuch von mir gebeten. Aber ich spürte, daß es die Stunde war, um noch einmal zu ihm zu fahren. Für dieses innere Zeichen, das der Herr mir geschenkt hat, bin ich zutiefst dankbar."
Als er sich am 22. Juni unmittelbar vor dem Rückflug nach Rom morgens bei ihm verabschiedete, hätten beide gewusst, "daß es ein Abschied aus dieser Welt für immer sein würde. Aber wir wussten auch, daß der gütige Gott, der uns auf dieser Welt dieses Zusammensein geschenkt hat, auch in der anderen Welt regiert und uns dort ein neues Miteinander schenken wird." Der emeritierte Papst bedankte sich bei Voderholzer für dessen Einsatz "in diesen Wochen des Abschieds".
Wechsel unter schwierigen Umständen
Benedikt XVI. erinnerte außerdem an die schwierigen Umstände bei Georg Ratzingers Wechsel auf die Stelle als Regensburger Domkapellmeister. Wenn ihre Mutter nicht vorher gestorben wäre, "hätte er den Ruf nicht angenommen", der ihm "Freude und Schmerz zugleich" bereitet habe. "Feindseligkeit und Ablehnung haben vor allem anfangs nicht gefehlt. Aber zugleich ist er Vater für junge Menschen geworden, die ihm dankbar als seine Domspatzen zur Seite standen und stehen." Georg Ratzinger leitete den weltberühmten Knabenchor von 1964 bis 1994.
Der Gottesdienst wurde auf der Bistums-Website aus dem Regensburger Dom übertragen. Bedingt durch die Corona-Pandemie konnten etwa 200 Personen daran teilnehmen. Es konzelebrierten Benedikts Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein und der deutsche Papstbotschafter, Erzbischof Nikola Eterovic. Außerdem nahmen der frühere Regensburger Bischof, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der Münchner Kardinal Reinhard Marx und der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke daran teil. Musikalisch gestaltet wurde die Trauerfeier von einer Schola von 16 ehemaligen Domspatzen – der gesamte aktuelle Chor konnte Corona-bedingt nicht auftreten.
Domkapellmeister Christian Heiß hob hervor, wie sehr Ratzinger den unverwechselbaren, weichen und tiefgründigen Klang der Domspatzen bis heute präge. Sein Wunsch an den Verstorbenen: "Ruhen Sie sich nun aus und freuen Sie sich am verheißenen Paradies und der Musik des Himmels!"
So innig wie die Altgedienten sangen, verliehen sie der Feier einen besonderen Zauber. Dieser erlebte seinen Höhepunkt, als am Ende sechs kleine Domspatzen um den Sarg standen und mit ihren jungen Stimmen das aus Felix Mendelssohn Bartholdys "Elias" stammende Engelsterzett "Hebe Deine Augen auf zu den Bergen von welchen dir Hilfe kommt" intonierten. Georg Ratzinger, so wird berichtet, war selig, wenn er diese berühmte Psalmvertonung dirigierte.
Seine letzte Ruhe fand der Domkapellmeister auf dem Unteren Katholischen Friedhof der Stadt. Dort wurde bereits sein Vorgänger Theobald Schrems (1893-1963) beigesetzt. (mpl/KNA)
8.7., 14:45 Uhr: Ergänzt um weitere Informationen.