In der Debatte über Alltagsrassismus darf es keine Denkverbote geben
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Bin ich ein Rassist?
Diese Frage würde ich eigentlich ganz klar mit einem Nein beantworten. Was für eine Frage. Doch die Bewegung "Black Lives Matter" belehrt uns eines Besseren und rückt das Thema Alltagsrassismus wieder stärker in den Mittelpunkt, sodass wir uns ehrlich fragen müssen: Sind wir wirklich keine Rassisten? Auf Instagram folge ich einer Pastorin, die ihre Follower unter anderem versucht für unseren Alltagsrassismus zu sensibilisieren. Super Aktion! Aber sie erzählt auch, dass sie gerade in letzter Zeit selbst eine enorme Unsicherheit in ihrer Umgebung spürt. Was dürfen wir noch sagen, ohne als "Rassist" bezeichnet zu werden?
In dieselbe Richtung weist auch ein offener Brief aus den USA gegen "intolerantes Klima", der von mehr als 150 Intellektuellen unterzeichnet wurde. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner drücken ihre Unterstützung für die jüngsten Proteste gegen Polizeibrutalität und Rassismus in den USA aus. Doch gleichzeitig kritisieren sie "Intoleranz gegenüber entgegengesetzten Meinungen, eine Welle des öffentlichen Anprangerns und der Ächtung, und die Tendenz, komplexe Politikthemen in grelle moralische Gewissheit aufzulösen". Der Brief wird von vielen Seiten kritisiert, was sicher seine Berechtigung hat, aber er weist meines Erachtens auf einen guten Punkt hin: Debatten laufen Gefahr über-emotionalisiert und moralisierend geführt zu werden, so dass Menschen mit einer anderen Meinung "Angst haben" ihre Meinung, ihre Gedanken zu sagen.
Aber wir schaffen keine Überwindung von (strukturellen) Alltagsrassismus, indem wir U-Bahn-Haltestellen umbenennen oder Wörter aus Kinderbüchern streichen – natürlich sind solche Bemühungen gut und unterstützenswert – aber eben nicht in einen offenen Austausch kommen. Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich gibt es auch in Debatten Grenzen, die man nicht überschreiten darf. Aber bei über-emotionalisierten Debatten entsteht häufig die Gefahr der Denkverbote. Statt eine Freiheit im Denken zu fördern, entsteht die Gefahr einer Enge, die die Vorurteile nicht abbaut, sondern im Verborgenen stehen lässt. Wollen wir nicht genau das Gegenteil?
Es braucht eine offene Auseinandersetzung, auch wenn sie manchmal weh tut. Denn wenn ich Menschen Gedanken verbiete, versperren sie sich neuen Ansätzen. Klingt nach einem trotzigen Kind, ist aber leider Realität. Das Ziel muss sein, dass wir alle unsere Vorurteile ablegen, um dem Rassismus zu überwinden, damit wir hoffentlich bald alle sagen können: Nein, ich bin kein Rassist. Eben nicht nur aus politischer Korrektheit, sondern aus innerer Überzeugung.
Und Sie? Wo stehen Sie in der Debatte?