Hagia Sophia: Was ist das Problem?
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Wenn am 24. Juli zum ersten Mal wieder das muslimische Freitagsgebet in der Hagia Sophia erklingt, ist das Problem nicht, dass in diesem Gotteshaus wieder gebetet wird. Das ist immerhin eine Nutzung, für die es errichtet wurde und der es 14 Jahrhunderte für Christen und dann für Muslime gedient hat.
Die Sultane sind ja mit der christlichen Geschichte der Hagia Sophia nach der Eroberung der Stadt 1453 vergleichsweise rücksichtsvoll umgegangen. Deshalb konnte so vieles nach 1935 wieder freigelegt werden. Die Kuppel des christlichen Doms wurde sogar zur Stilvorlage fürs osmanische Moscheebauwesen, eine kleine Ironie der für unsere Augen so "typisch islamischen" Stadtsilhouetten.
Das Ende der jetzt von so vielen bewunderten Musealisierung der Hagia Sophia ist auch nicht die große Katastrophe, als die sie von vielen hingestellt wird. Wer ernst nimmt, dass Religion – eigene und fremde – mehr ist als ein Kulturlieferant, der muss sich über eine Rückkehr zur religiösen Nutzung nicht erregen. Man kann dann auch ertragen bzw. der Weltkulturöffentlichkeit zumuten, dass ein Ort wie die Moschee-Kathedrale im spanischen Cordoba weiterhin von einem katholischen Domkapitel verwaltet wird.
Allerdings darf dort jeder eintreten, der den stolzen Eintrittspreis bezahlt. Das wäre ein Wunsch an die Obrigkeit der Hagia Sophia: dass auch dort Andersgläubige ungehindert eintreten können und staunen dürfen. Etwa so wie in Ägypten, wo der christliche Moschee-Besucher freundlich empfangen wird, und anders als in Dubai, wo das Betreten für Andersgläubige verboten ist. In türkischen Moscheen wird man bislang meist abgesondert und auf Distanz gehalten.
Dass Gotteshäuser wieder dem Gottesdienst gewidmet werden, ist kein Unglück. Das Problem ist, dass Präsident Erdogan mit religiösen Emotionen ein politisches Spiel spielt. Das erzeugt Spannungen und vertieft Spaltungen. Dadurch werden Mauern errichtet, nicht Brücken gebaut. Wohl deshalb ist Papst Franziskus, der mit großen Schritten auf den Islam zugegangen ist, "sehr betrübt", und sagt zu dem komplexen Thema ansonsten recht wenig.