Als Bischof Mensch bleiben: Bertram Meier wird 60
Wie wird man Bischof in einer Ausnahmesituation? Bertram Meier hat das kürzlich in einem Büchlein mit dem Titel "Erzwungene Distanz – Gesuchte Nähe" festgehalten. Der Band enthält seine Predigten, die er bei den live gestreamten Gottesdiensten während der Corona-Krise in der Bischöflichen Hauskapelle gehalten hat – mit allen Gedanken, die er sich darin zum Geschehen rund um die Pandemie gemacht hat. Eine Pandemie, mit deren Auswirkungen er auch persönlich konfrontiert wurde, schließlich musste der zunächst anberaumte Termin seiner Bischofsweihe im März abgesagt werden. Der Nachholtermin Anfang Juni konnte nur unter strengen Hygienemaßnahmen und mit streng limitierter Teilnehmerzahl stattfinden. Und auch der nächste besondere Tag im Leben von Bertram Meier steht immer noch im Zeichen von Corona: An diesem Montag feiert der neue Augsburger Oberhirte seinen 60. Geburtstag.
Viele Wegefährten und Gläubige dürften die Umstände, unter denen Bertram Meier seine Amtszeit beginnen musste, mit großem Bedauern betrachten. Schließlich war nach der Bekanntgabe seiner Ernennung zum neuen Augsburger Bischof Ende Januar eine Welle der Sympathie und der Freude durch die Diözese geschwappt. Denn nun, so drückte es der damalige Bischof in spe aus, kämen "Hirte und Herde aus demselben Stall". Meier ist ein echtes Kind der Augsburger Kirche, wurde in Buchloe im Ostallgäu geboren und wuchs in Kaufering in der Nähe von Landsberg am Lech auf. Schon als kleiner Junge schimmerte seine spätere Berufung durch: Er spielte im elterlichen Wohnzimmer die Heilige Messe nach und "taufte", wie Freunde aus Kindheitstagen verrieten, im Sandkasten die Puppen der anderen Kinder.
Der Geistliche galt im Bistum schon seit langem als beliebter und kompetenter Seelsorger und diente der Diözese in verschiedenen Funktionen: Kaplan, Pfarrer und schließlich Domkapitular, Leiter verschiedener Referate im Bischöflichen Ordinariat, Domprediger, stellvertretender Generalvikar und Domdekan. 2014 wurde er Leiter des Bischöflichen Seelsorgeamts und Bischofsvikar für Ökumene und interreligiösen Dialog – und 2019 nach dem altersbedingten Rücktritt von Bischof Konrad Zdarsa Diözesanadministrator. Die Ökumene ist im wortwörtlichen Sinn Meiers Lebensthema: Er wuchs in einem gemischtkonfessionellen Elternhaus auf.
Beste Kontakte nach Rom
Meier kennt nicht nur die Diözese Augsburg wie seine Westentasche, sondern ist auch im Vatikan bestens vernetzt. Sein Theologie- und Philosophiestudium sowie seine Promotion schloss er an der Päpstlichen Universität Gregoriana ab, 1985 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Nach seiner Kaplanszeit im Bistum Augsburg nahm er an der Ausbildung der Päpstlichen Diplomatenakademie teil. Von 1996 bis 2002 ging er wiederum nach Rom und leitete dort die deutschsprachige Abteilung im vatikanischen Staatssekretariat, ehe er nach Augsburg zurückkehrte. Nicht ausgeschlossen, dass Meier seine Zeit in Rom bei der Ernennung zum Bischof hilfreich war. Vielleicht hat sich der ein oder andere Prälat, der in die Entscheidung eingebunden war, noch an ihn erinnert.
Auch wenn er von der Corona-Krise etwas "ausgebremst" wurde – aufhalten lassen hat er sich nicht. Eine Eingewöhnungszeit war ohnehin nicht nötig, und als vom Papst ernannter Apostolischer Administrator konnte er zunächst auch ohne Bischofsweihe Entscheidungen mit Tragweite treffen. Neben den täglichen Messübertragungen meldete sich Meier mehrfach zu relevanten Themen aus Kirche und Gesellschaft zu Wort. Anders als sein Vorgänger Konrad Zdarsa sucht der neue Augsburger Oberhirte bewusst die mediale Öffentlichkeit. "Als Gottesmann kann ich mich nicht nur auf Ambo und Altar beschränken”, betont Meier. Er habe nicht nur "Vollblutkatholiken" im Blick, sondern auch Menschen außerhalb der Kirche. "Die erreiche ich nicht, wenn ich nur drinnen bleibe."
Daneben fällte Meier schon frühzeitig wichtige Personalentscheidungen mit gewissem Symbolcharakter. Zu seiner Nachfolgerin in der Leitung des Bischöflichen Seelsorgeamts bestimmte er eine Frau, die diese Aufgabe künftig in einem Tandem gemeinsam mit einem männlichen Kollegen ausführen soll. Das sei für ihn "ein Zeichen für eine geschwisterliche Kirche, in der wir gemeinsam Jesus, dem guten Hirten, dienen", so Meier. Außerdem ernannte er eine Ordensfrau zu seiner neuen Amtsleiterin im Bischofshaus, um diesem künftig mehr Profil und Gewicht zu geben. Zur Rolle der Frau in der Kirche sagt der Augsburger Bischof: "Wir brauchen die von Gott geschenkten Talente und Charismen, die, wie wir alle wissen, nicht an das Mannsein gebunden sind."
Bischof in spannenden Zeiten
Meier ist in einer Zeit des Umbruchs in der Kirche Bischof von Augsburg geworden. Zum Synodalen Weg, der über mögliche Reformen in der Kirche Deutschlands berät, erklärte er zwar, er sehe keinen Grund, ihn auszubremsen. Allerdings dürfe man dabei die geistliche Dimension nicht vernachlässigen – schließlich müsse das Kernanliegen des Prozesses sein, das Evangelium wieder unter die Leute zu bringen. Bei der Debatte um Weiheämter für Frauen sieht Meier keinen Spielraum: Die Priesterweihe für Frauen habe Papst Johannes Paul II. definitiv ausgeschlossen, und ein Diakonat der Frau widerspreche der Einheit des dreistufigen Weihesakraments.
Auch wenn es im Bistum Augsburg im Vergleich zu anderen deutschen Diözesen noch ein reges katholisches Leben gibt, kämpft man auch im Südwesten Bayerns mit Priestermangel und Mitgliederschwund. Deshalb wurde bereits unter Meiers Vorgänger Zdarsa mit der "Raumplanung 2025" ein großangelegter Prozess initiiert, der die Pfarreienstruktur neu ordnen soll. Der neue Bischof wird diesen Weg weiterführen und will ihn gesitig vertiefen. "Der Slogan 'Die Kirche muss im Dorf bleiben' hat nicht nur damit zu tun, wie oft in der Dorfkirche die Eucharistie gefeiert wird. Es geht auch darum, wie das kirchliche Leben insgesamt gestaltet wird", betont der Augsburger Bischof. Die Schaffung sogenannter "XXL-Pfarreien" wie in einigen anderen deutschen Bistümern lehnt Meier ab – das sei für seine Diözese nicht zukunftsfähig. "Die Gemeinschaft, das Kirche-Sein, das Beziehungsnetz zu Gott und zu den anderen würden wir sonst aushebeln."
Für seine Amtszeit hat sich Meier ein ganz persönliches Ziel gesetzt: Er will versuchen, weiter als ganz normaler Mensch zu leben. "Ein Bischof bleibt immer Mensch. Und es kratzt überhaupt nicht an seiner Autorität, wenn er dieses Menschsein zulässt", betont er. Er wolle zum Beispiel weiterhin auf den Weihnachtsmarkt gehen, eine Bratwurst essen und Glühwein trinken. Auf einen Umzug ins Bischofshaus hat er vorerst verzichtet, er nutzt dort nur die Arbeits- und Empfangsräume – und natürlich die Kapelle.
Bertram Meier ist gerne nah bei den Menschen – deswegen dürfte es ihn schmerzen, dass er wegen Corona nach wie vor nur sehr eingeschränkt mit den Gläubigen in Kontakt treten kann. Auch den Startschuss seines bischöflichen Dienstes hätte er gerne mit möglichst vielen von denen begangen, die ihn in den kommenden Jahren auf seinem Weg begleiten. Deshalb ist es Meiers Wunsch, dass das Fest, das nach dem Weihegottesdienst hätte stattfinden sollen, irgendwann nachgeholt wird. Sofern es die Umstände zulassen, vielleicht am ersten Jahrestag seiner Bischofsweihe. Seinen 60. Geburtstag, verriet er unlängst, feiert er im engsten Kreis – und mit einer Dankvesper im Augsburger Dom.