Emeritierter Kurienkardinal verteidigt Vatikan-Dokument

Kardinal Kasper: Deutsche Kritik verfehlt Anliegen der Instruktion

Veröffentlicht am 27.07.2020 um 11:31 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Die deutsche Kritik an der Vatikan-Instruktion kann der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper nicht nachvollziehen – mehr noch: Sie verfehle das eigentliche Anliegen. Er sei bestimmten Ausführungen dankbar – findet jedoch auch kritische Punkte.

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Laut dem emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper verfehlen einige Stimmen zur kürzlich veröffentlichten Vatikan-Instruktion deren eigentliche Intention. "Die deutsche Kritik geht am eigentlichen Anliegen der Instruktion, der pastoralen Umkehr zu einer missionarischen Pastoral, völlig vorbei", schreibt Kasper in einem Gastbeitrag für das Kölner "Domradio" (Montag). Offensichtlich habe man in Deutschland die ersten Kapitel und die Zusammenfassung des Dokuments überlesen, heißt es weiter. Darin würde ausführlich die gemeinsame "Verantwortung des gesamten Volk Gottes und von der ganzen Gemeinde als Subjekt" einer solchen missionarischen Seelsorge thematisiert.

Der Kardinal selbst sei über die Ausführungen zur Stellung des Pfarrers dankbar, "denn die Dauerdiskussion über Zölibat, Frauenpriestertum, Leitungsteams usw. usf., führt – wie immer man diese Fragen beantworten mag – dazu, dass kein junger Mensch mehr weiß, auf was er sich einlässt, wenn er sich für den Priesterberuf entscheidet".  Eine solche "Identitätsdiffusion" führe neben anderen Gründen zu diesem Priestermangel, den man eigentlich verhindern wolle. In den Gemeinden müsse "ein Klima der Akzeptanz, der Anerkennung, der Bedeutung und der Schönheit des Priesterberufs" herrschen; andernfalls seien sämtliche Reformen nichtig.

Nach Kaspers Ansicht sei die Gesamtverantwortung des Pfarrers theologisch legitim und schließe nicht aus, dass "viele nicht originär priesterliche Aufgaben delegiert werden müssen und auch delegiert werden können". Auch wenn ein Pfarrgemeinderat eine beratende Funktion habe, sehe das Kirchenrecht nicht vor, "dass der Pfarrer mit einem solchen Rat nach Lust und Laune umgehen kann", betont der Kardinal. Einen "autoritären Neoklerikalismus sieht er in der Instruktion keinesfalls. Das Dokument wolle gerade verhindern, dass Bischöfe "'per ordre Mufti' Pfarreien umkrempeln, aufheben, zusammenlegen" können, indem es die Oberhirten an Kriterien und Vorgehensweisen binde.

Dank an Laien fehlt

Zuletzt kritisierte Kasper das Dokument jedoch auch darin, dass vor der Veröffentlichung "eine gemeinsame Beratung mit den Vorsitzenden der in Frage kommenden Bischofskonferenzen" hätte stattfinden müssen. Zudem werde im zweiten Teil "ziemlich einseitig kirchenrechtlich kritisch abgrenzend und ausgrenzend gesprochen", wobei die engagierten Laien in der gesamten katholischen Kirche Dank, Ermutigung und Anerkennung verdient hätten.

Kasper war von 2001 bis 2010 Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Zuvor war er von 1989 bis 1999 Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Er gilt als enger Berater von Papst Franziskus. Zuletzt betonte er, Reformen in der Kirche seien unumgänglich. Er zeigte sich jedoch auch skeptisch gegenüber dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland.

Nach der am vergangenen Montag in Rom veröffentlichten Instruktion bleiben Laien von der Gemeindeleitung ausgeschlossen. Dagegen hebt der Text die Rolle des Pfarrers hervor. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien beispielsweise Teams aus Priestern und kirchlich Engagierten sowie anderen Mitarbeitern anzuvertrauen, widerspricht das Schreiben explizit. Zahlreiche Kirchenvertreter und Theologen aus Deutschland kritisierten das Papier als rückwärtsgewandt. Scharfe Kritik gab es von den Bischöfen Franz-Josef Bode (Osnabrück), Peter Kohlgraf (Mainz) und Franz-Josef Overbeck (Essen). Auch Bambergs Erzbischof Ludwig Schick sagte, die Instruktion bringe für die Kirche und ihren missionarischen Auftrag "mehr Schaden als Nutzen" und nannte das Papier theologisch defizitär. Bischof Gebhard Fürst kündigte an, am Rottenburg-Stuttgarter Leitungsmodell festhalten zu wollen. Auch Erzbischof Stephan Burger sagte, er wolle trotz des Vatikan-Dokuments an der Pfarreireform im Erzbistum Freiburg festhalten. Bischof Franz Jung sagte, er vermisse im Dokument innovative Ansätze. Bischof Stephan Ackermann bedauerte, die Instruktion schränke die Eigenverantwortung von Bischöfen und Diözesen ein. Münchens Kardinal Reinhard Marx forderte ein stärkeres Aufeinanderhören in der Kirche. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hingegen lobte die Instruktion und untermauerte seine Haltung noch einmal am Freitag in einem Gastbeitrag für katholisch.de. Auch der Augsburger Bischof Bertram Meier fand positive Worte und betonte, seine Diözese könne mit der neuen Vatikan-Instruktion "gut leben". (mpl)