Ex-Bundesvorsitzende: BDKJ kann Vorbild für kirchliche Reformen sein
Mit dem Ende der Hauptversammlung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) am vergangenen Sonntag endete die Amtszeit der ehrenamtlichen Bundesvorsitzenden Katharina Norpoth. Die 1991 geborene Studentin der Sozialwissenschaft erklärt im Interview, warum sie nicht für eine weitere Amtszeit kandidiert hat und was sie dem neuen Bundesvorstand des BDKJ für seine Arbeit mit auf den Weg gibt.
Frage: Sie standen fünf Jahre als ehrenamtliche Vorsitzende an der Spitze des BDKJ. Warum machen Sie nicht weiter?
Norpoth: Diese Jahre waren eine sehr tolle und lehrreiche Zeit, in der ich viel erlebt habe. Deshalb ist es mir nicht leichtgefallen, aus dem Amt zu scheiden. Aber diese Jahre waren auch sehr arbeitsintensiv und es ist für mich jetzt an der Zeit mein Studium abzuschließen, das doch etwas unter meinem Engagement gelitten hat. Bei der Arbeit im BDKJ habe ich aber mehr gelernt als in so mancher Veranstaltung an der Universität. (lacht)
Frage: Was ist Ihnen während Ihrer Amtszeit besonders in Erinnerung geblieben?
Norpoth: Gute Möglichkeiten, um die Interessen junger Menschen zu vertreten, waren die vielen Gespräche mit Abgeordneten im Bundestag oder im Europaparlament. Daran denke ich gerne zurück, denn dort konnten wir über die Themen diskutieren, die uns im BDKJ sehr wichtig sind. Außerdem nehme ich wahr, dass das Ehrenamt in der Kirche gestärkt worden ist. Das sieht man auch daran, dass ich mein Amt, das über 20 Jahre nicht besetzt war, schnell mit Leben füllen konnte. Im Bundesvorstand hat die Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen immer gut funktioniert. Natürlich kommt mir da auch der Synodale Weg in den Sinn: ein gutes Beispiel dafür, wie Kirche sich weiterentwickeln kann. Dort gibt es ein gutes Miteinander, auch im Austausch über die Knackpunkte, die wir in der katholischen Kirche haben. Als BDKJ konnten wir 15 junge Leute für die Synodalversammlung benennen. Ich sehe durch das profilierte Engagement dieser Synodalen, wie wichtig es ist, dass sich die junge Generation einbringt.
Frage: Was ist Ihnen in schlechter Erinnerung geblieben?
Norpoth: In den vergangenen Jahren haben Hasskommentare im Internet und den sozialen Netzwerken zugenommen. Diese Entwicklung finde ich bedauerlich. Ein rauer Ton und Anfeindungen bringen niemanden weiter.
Frage: Sie haben von Begegnungen mit Politikern gesprochen. Wird der BDKJ in Politik und Gesellschaft, aber auch in der Kirche überhaupt gehört? Wie groß ist der Einfluss in einer Gesellschaft, in der viele Menschen mit Religion immer weniger anfangen können?
Norpoth: Ich nehme den BDKJ als sehr starke Stimme wahr, die auch gehört wird. Es ist nicht so, dass wir immer nur auf Politikerinnen und Politiker oder kirchliche Würdenträger zugehen, sondern dass das auch sehr oft andersherum passiert: Dass wir also gefragt werden, welche Meinung die Jugend der Kirche zu einem bestimmten Thema hat.
Frage: In Ihrem Amt haben Sie an hervorgehobener Stelle die Kirche vielleicht etwas anders als vorher kennengelernt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Norpoth: Wie in anderen Zusammenhängen auch kommt es dabei sehr stark auf die jeweiligen Menschen an, mit denen man es zu tun hat. Aber ich habe schon wahrgenommen, dass es einen wachsenden Willen zu Veränderungen in der Kirche gibt – sowohl in der Synodalversammlung als auch vor Ort in den Gemeinden und Verbänden. Es gibt einen großen Wunsch danach, dass in der Kirche neue Wege gegangen werden. Als BDKJ sind wir da ein gutes Beispiel, etwa beim Thema geteilte Leitung von Priestern und Laien. Aber auch im Glaubensleben und in der Weise, wie wir Katholisch-Sein verstehen. Ich habe die Kirche in Deutschland als sehr bunt kennengelernt. Es ist zwar nicht einfach, wenn man anderer Meinung ist, aber es verändert sich viel und wir sind als Kirche auf einem guten Weg.
Frage: Wenn Sie kritisch auf Ihre Amtszeit zurückblicken: Haben Sie das erreicht, was Sie sich vorgenommen hatten?
Norpoth: An vielen Stellen schon: Das Ehrenamt ist insgesamt sichtbarer geworden, im Verband und darüber hinaus. Das Thema Europa ist mir ein großes Anliegen, das ich an verschiedenen Stellen stärken und durch europäische Kontakte ausbauen konnte. Etwa durch eine europäische Runde von Jugendvertretern, die sich regelmäßig per Video-Konferenz austauscht und einmal im Jahr in Brüssel trifft – wenn nicht gerade die Corona-Krise ist. Mein ursprünglicher Plan war die Schaffung einer Organisation wie dem BDKJ auf europäischer Ebene. Das hat aber leider aufgrund von strukturellen Fragen nicht funktioniert. Auch das Thema Digitale Lebenswelten ist wichtiger geworden – eine Entwicklung, der ich mir schon bei meiner Wahl 2015 bewusst war. Das habe ich in den vergangenen Jahren intensiv begleitet und in den Verband eingebracht.
Frage: Wenn Sie auf den BDKJ schauen: Was muss sich noch verändern?
Norpoth: Der BDKJ entwickelt sich ständig weiter, da er aus mehreren Generationen von jungen Menschen besteht. Alle haben unterschiedliche Bedürfnisse und Lebensrealitäten, daher muss sich der BDKJ stetig verändern. Immer wieder muss aber geschaut werden, ob die Strukturen noch zeitgemäß sind und die Inhalte, die vertreten werden, noch aktuell. Das sieht man an dem Strukturprozess in den vergangenen Jahren im BDKJ, den wir 2017 abgeschlossen haben. Auch Aktionen müssen stetig weiterentwickelt werden: So haben wir die 72-Stunden-Aktion im Jahr 2019 an den aktuellen Begebenheiten ausgerichtet. Aber um den BDKJ inhaltlich weiterzuentwickeln braucht es immer wieder neue und engagierte Menschen, die frischen Wind bringen.
Frage: Für Ihr Amt, den bzw. die ehrenamtliche Bundesvorsitzende, gibt es nun keine Nachfolgerin. Warum eigentlich nicht?
Norpoth: Es ist sehr schade, dass das Amt nicht wiederbesetzt werden konnte. Ich finde das bedauerlich, denn eigentlich haben wir nach einer Nachfolgerin gesucht. Es gab auch Interessentinnen für dieses Amt, für die der Zeitpunkt jedoch nicht gepasst hat. Es ist natürlich eine sehr zeitaufwändige, aber auch sehr gewinnbringende und wichtige Aufgabe. Daher hoffe ich, dass es in naher Zukunft wieder eine ehrenamtliche Bundesvorsitzende gibt.
Frage: Engagieren Sie sich auch weiterhin beim Synodalen Weg, obwohl Sie aus Ihrem Amt beim BDKJ ausgeschieden sind?
Norpoth: Ja, ich möchte mich weiterhin engagieren. Wie eine konkrete Mitarbeit, sowohl im Synodalforum als auch in der Synodalversammlung aussehen kann, wird aktuell noch geklärt. Ich bin froh, dass wir trotz Corona im Synodalforum gut weiterarbeiten konnten. Darüber hinaus haben wir neue Möglichkeiten geschaffen, sich am Synodalen Weg zu beteiligen. Ein Beispiel ist unser BDKJ-Format "Digital Synodal", das online stattgefunden hat und mit dem wir viele Menschen erreichen konnten.
Frage: Wie nehmen Sie die inhaltliche Arbeit im Forum wahr?
Norpoth: Als sehr wertschätzend. Wir haben die unterschiedlichsten Lebensrealitäten von Menschen im Blick. Das ist nicht an allen Stellen und bei allen Teilnehmern unumstritten, aber darüber müssen wir diskutieren und schauen, wie wir vorankommen. Es gibt Teilnehmer, die an der kirchlichen Lehre grundsätzlich so festhalten wollen, wie sie ist, und es gibt andere, die sie hinterfragen und die Notwenigkeit sehen, Dinge zu verändern. Ein Beispiel dafür ist die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare – ein Thema, das extrem polarisiert.
Frage: Ihr Amt wurde zwar nicht wiederbesetzt, am Wochenende wurden aber ein neuer hauptamtlicher Bundesvorsitzender und ein neuer Bundespräses in den Vorstand gewählt. Was geben Sie ihren "Nachfolgern" mit auf den Weg?
Norpoth: Dass sie immer wieder auf die positiven Erfahrungen der Jugendverbandsarbeit zurückgreifen sollten und sich auch bei Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Es warten neue Herausforderungen auf sie, die man jedoch im Team sehr gut lösen kann. Auch ein offenes Ohr für die unterschiedlichsten Meinungen und Bedürfnisse auf den verschiedenen Ebenen ist wichtig. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, sich auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln. Wenn die Arbeit im BDKJ mit einer großen Portion Herzblut gemacht wird, kann nicht mehr viel schiefgehen.