Schüller zu Vatikan-Dokument: Papst sendet ständig Doppelbotschaften
Das Vatikan-Papier zu Gemeindereformen sorgt weiterhin für Diskussionen. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller erneuerte seine Kritik: Die Instruktion inszeniere "ein restauratives Priesterbild", sagte er der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag). "Die mitbestimmende Gemeinde ist damit passe." Zudem sei "die unselige Verknüpfung von sakraler Macht und autoritativer Gewalt im Priesterberuf" bei der Aufarbeitung des Missbrauchskandals als ursächlich für Verbrechen eingestuft worden.
Als erfreulich bezeichnete Schüller den Widerspruch zahlreicher deutscher Bischöfe. Das Recht, einen vatikanischen Normtext zurückzuweisen ("Remonstratio"), sei "ein ungeschriebenes Gesetz im Kirchenrecht". Papst Franziskus warf der Wissenschaftler vor, bei Ankündigungen zu bleiben und die Kurie regieren zu lassen: "Ich achte und ehre sein Pontifikat. Aber er sendet ständig Doppelbotschaften." Noch immer setzten Diözesen auf "einen großen Pool von Überzeugten und Engagierten, den es aber kaum noch gibt", fügte Schüller hinzu. Immer weniger Theologie-Studenten gingen in den kirchlichen Dienst, und immer weniger Ehrenamtliche seien bereit, "sich aufzureiben, wenn sie keine Verantwortung übertragen bekommen". Zudem sei die Kirche "ausgedörrt, was die Sprache angeht und die Verkündigung. Das trifft uns alle."
Bereits kurz nach der Veröffentlichung hatte Schüller das Dokument scharf kritisiert. "Das Papier beantwortet Fragen von heute mit Antworten von gestern", sagte er. Es handele sich um ein "durch und durch klerikales Papier". Es werde rein vom Priester her gedacht; an der tatsächlichen Lage der Bistümer und des kirchlichen Lebens in Deutschland gehe das Papier vorbei.
Haslinger: Befremdliche und ärgerliche Kleinlichkeit
Nach Ansicht des Paderborner Pastoraltheologen Herbert Haslinger ignoriert die Instruktion die Realität in den Pfarreien. Mit einer "befremdlichen und ärgerlichen Kleinlichkeit" unterstreiche sie immer wieder, was Laien, Diakone und Ordensangehörige nicht dürften, sagte Haslinger der Kirchenzeitung "Der Dom". "Dabei weiß jeder, dass in vielen Gemeinden Nicht-Priester längst de facto Leitungsaufgaben wahrnehmen." Der Professor an der Theologischen Fakultät Paderborn kritisierte, dass dem Dokument zufolge Priestermangel allein kein angemessener Grund sei, Pfarreien zusammenzulegen. "Da muss ich fragen: Was soll denn ein Generalvikar tun, der kaum noch Priester, aber viele Pfarreien hat?", so Haslinger.
Mit der Instruktion, die vergangene Woche überraschend veröffentlicht worden war, hat der Vatikan Gemeindereformen Grenzen gesetzt. Laien bleiben laut dem Schreiben von der Gemeindeleitung ausgeschlossen. Dagegen hebt der Text die Rolle des Pfarrers hervor. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien beispielsweise Teams aus Priestern und kirchlich Engagierten sowie anderen Mitarbeitern anzuvertrauen, widerspricht das Schreiben direkt.
Viele Kirchenvertreter aus Deutschland kritisierten das Papier scharf. Auch die große Mehrheit der deutschen Bischöfe übte Kritik und bezeichnete die Instruktion unter anderem als realitätsfern und rückwärtsgewandt. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode etwa sieht in dem Papier eine "Umkehr zur Klerikalisierung". Einige Oberhirten kündigten an, trotz der Instruktion an ihren Plänen zu Pfarreienreformen festzuhalten. Auch aus dem deutschsprachigen Ausland kam Kritik. Am Mittwoch kritisierte der Basler Bischof und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, Felix Gmür, die Instruktion und verteidigte das Schweizer Leitungsmodell. Es gab jedoch auch zustimmende Äußerungen. So verteidigten der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und zuletzt der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt das Schreiben.
Gerhards: Römischen Herrschaften berichten, was eigentlich Sache ist
Die für das Dokument verantwortliche Kleruskongregation im Vatikan hat den deutschen Bischöfen inzwischen ein klärendes Gespräch zur Instruktion angeboten. Man werde die Bischöfe gern empfangen, um deren Zweifel und Verblüffung zu beseitigen, sagte der Leiter der Kongregation, Kardinal Beniamino Stella. Der Besuch der Bischöfe könne stattfinden, "wenn sie das wünschen", und "zu gegebener Zeit", hieß es.
Nachhilfeunterricht hätten die deutschen Oberhirten jedoch nicht nötig, kritisierte der emeritierte Bonner Liturgieprofessor Albert Gerhards im Interview des Online-Portals "domradio.de". "Vielleicht ist es eine Gelegenheit, wenn die das klug machen, den römischen Herrschaften mal ein bisschen zu berichten, was eigentlich Sache ist." Insgesamt fehle im Vatikan das Verständnis für die Besonderheiten in Deutschland, wo fünfhundert Jahre lang zwei große Konfessionen zunächst nebeneinander und jetzt miteinander lebten. "Wir haben eine ganz andere Wahrnehmung von Christentum, als das etwa in den monokonfessionellen Ländern Südeuropas der Fall ist", so Gerhards. (tmg/KNA)
31.7., 10:30 Uhr: Ergänzt um Gerhards.