Gedanke gehe in die richtige Richtung

Religionssoziologe: Debatte über Kirchensteuer ist "angemessen"

Veröffentlicht am 09.08.2020 um 15:43 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Ein "Jugendrabatt" bei der Kirchensteuer? Das wird gerade in der evangelischen Kirche diskutiert. Der Religionssoziologe Detlef Pollack findet das Thema relevant, warnt aber vor zu hohen Erwartungen an eine solche Maßnahme.

  • Teilen:

Der Religionssoziologe Detlef Pollack hält die Debatte in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über einen Kirchensteuer-Rabatt für junge Mitglieder für grundsätzlich angemessen. "Der Grundgedanke hinter den aktuellen EKD-Überlegungen geht in die richtige Richtung", sagte Pollack der "Welt" (Montag). Bei jungen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren sei "die statistische Austrittswahrscheinlichkeit in der Tat sehr hoch", so der stellvertretende Sprecher des Exzellenzclusters "Religion und Politik" an der Universität Münster.

"Für diese Menschen, die sich aus den engeren familiären Bindungen lösen und materiell wie ideell selbstständig werden müssen, werden sich die Kirchen viele neue Angebote überlegen müssen", sagte Pollack. Er betonte aber, dass unter jenen Angeboten "Kirchensteuerrabatte wohl nur eines sein können und vielleicht nicht das Wichtigste sind".

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hatte zuletzt über interne "Überlegungen" gesprochen, bei Berufseinsteigern wegen der dort besonders hohen Austrittszahlen "mit der Kirchensteuer eventuell noch zu warten oder sie zu reduzieren".

Keine zu hohen Erwartungen

Vor hohen Erwartungen an eine solche Maßnahme warnte Pollack: "Dass die Kirchensteuerersparnis das entscheidende Motiv für Kirchenaustritte sei, wird zwar immer wieder behauptet, trifft aber nach unseren Befunden nicht zu." Vielmehr lägen "die wichtigeren Gründe für Austritte in religiöser Indifferenz, also in der Gleichgültigkeit gegenüber den zentralen kirchlichen Anliegen, sowie in einem Misstrauen gegenüber der kirchlichen Institution, der man keine Glaubwürdigkeit zubilligt". Die Kirchensteuern spielten "demgegenüber eine untergeordnete Rolle".

Insofern sei "zunächst einmal Skepsis" gegenüber der Vorstellung angebracht, man könne die Zahl der Kirchenaustritte reduzieren, wenn man die Kirchensteuer reduziere. "Ob religiös indifferente und kirchlich kaum verbundene Menschen, die einen beachtlichen Anteil der Kirchenmitglieder ausmachen, letztlich in der Kirche bleiben oder nicht, hängt weniger vom Geld ab als davon, inwieweit Kirchenzugehörigkeit in der Familie verankert und im sozialen Umfeld geschätzt ist."

Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben 2019 so viel Kirchensteuer erhalten wie nie. Trotz sinkender Mitgliederzahlen erreichten diese Einnahmen im Vorjahr mit insgesamt rund 12,7 Milliarden Euro ein Rekordhoch. Für das laufende Jahr rechnen beide Kirchen mit starken Einbrüchen aufgrund der durch die Corona-Pandemie verursachten Wirtschaftskrise.

Im Jahr 2019 sind so viele Menschen aus der Kirche ausgetreten wie nie zuvor. Über 270.000 kehren der katholischen Kirche den Rücken. Insgesamt sank die Anzahl der Katholiken in Deutschland um über 400.000. (cph/KNA)