Zum Tod des Franziskaners vor 775 Jahren

Alexander von Hales: Der "unwiderlegbare Doktor"

Veröffentlicht am 21.08.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Alexander von Hales im Portrait
Bild: © Gemeinfrei

Bonn ‐ Franz von Assisi hatte noch Vorbehalte gegen jede wissenschaftliche Theologie. Keine Berührungsängste hatte dagegen der Pariser Scholastiker Alexander von Hales. Er meisterte eine Gratwanderung, die für Theologen noch heute eine Herausforderung darstellt.

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Paris boomte. Mit rund 110.000 Einwohnern war die Stadt um das Jahr 1200 nach Palermo die zweitgrößte Metropole Europas - und ein Treibhaus für das zarte Pflänzlein der Wissenschaft. Professoren und Studierende sammelten sich hier in der Bewegung der Scholastik, der Theologie und christlichen Philosophie des Mittelalters. Ein führender Kopf war Alexander von Hales. Vor 775 Jahren, am 21. August 1245, starb er in Paris.

Geboren um 1185 im mittelenglischen Halesowen, fand der Spross einer Bauernfamilie seine Heimat an der Seine. Der Hochbegabte machte schnell Karriere. Nach dem Studium wurde er bald Professor und lehrte Sprachkompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften. Dann wechselte er zur Theologie, wirkte auch an der dortigen Fakultät ab etwa 1220 als Professor.

Außergewöhnliches Talent für Streitgespräche

Der Theologe meisterte die Gratwanderung, die Lehre von Gott nach den Zeitbedürfnissen zu aktualisieren, ohne dabei mit dem Lehramt zu kollidieren. Er gehörte zu den Pionieren, die Aristoteles für die Theologie fruchtbar machten. Das Gesamtwerk des griechischen Philosophen wurde zur Zeit Alexanders in lateinischer Übersetzung erst bekannt.

Bild: ©zatletic/Fotolia.com

Papst Gregor IX. (links, bei einer Predigt des Heiligen Antonius von Padua) stellte der Pariser Hochschule das Privileg "Parens scientiarum" - "Mutter der Wissenschaften" - aus.

Alexander besaß zudem ein außergewöhnliches Talent für Streitgespräche; nicht ohne Grund lautete sein Beiname "der unwiderlegbare Doktor". In schwarzer Robe begeisterte er die Menschen in seinen öffentlichen Gesprächsrunden. Höhepunkt des Streitgesprächs waren die "Quodlibeta". "Was beliebt" durfte gefragt werden: meist knifflige Probleme aus Theologie und einer metaphysischen Philosophie, die noch nicht unterschied zwischen transzendierendem Glauben und der welt- und erfahrungsgeleiteten Wahrheit der Philosophie. Alexanders Streitgespräche lockten Tausende Studenten aus nah und fern nach Paris. Die Universität wurde zum Zentrum des Theologie- und Philosophiestudiums in Europa.

Mitunter ging es turbulent zu, entglitten die Dispute sogar in Gewalt. Wiederholt eskalierte Streit zwischen Studenten und Bürgern, etwa wenn es um die Miete ging. So wurden aus dem Karnevalstreiben 1229 blutige Unruhen. Als die Obrigkeit den Studenten die Schuld zuschob, solidarisierten sich Professoren und Studenten. Um die akademische Freiheit zu sichern, boykottierten sie den Lehrbetrieb und verließen Paris für drei Jahre.

Gregor IX. schlichtete schließlich den Konflikt. Der Papst, selbst Absolvent der Pariser Hochschule, stellte ihr 1231 das Privileg "Parens scientiarum" - "Mutter der Wissenschaften" - aus, der Freiheitsbrief für die Universität und die Lehrtätigkeit wie jener von Alexander von Hales.

Seit Alexander galt in der Scholastik die personale Würde als unzerstörbare Eigenschaft eines jeden Menschen. Das legte er im Frühwerk der "Glossa" dar, seinem Kommentar auf die vier Sentenzen-Bücher des Petrus Lombardus. Alexanders Kollege hatte darin Mitte des 12. Jahrhunderts versucht, den Traditionsfluss der Kirchenväter und -lehrer zu kanalisieren; Petrus stellte eine Buchreihe mit den wesentlichen Lehrsätzen der Kirchenväter zusammen.

Linktipp: Franz von Assisi: Armer, reicher Heiliger

Kaum ein Heiliger hat eine solche Anerkennung gefunden wie Franz von Assisi. Er folgte Jesus Christus bedingungslos nach - und hatte ein besonderes Verhältnis zur Schöpfung.

Alexander begründete damit einen neuen Brauch im Studium der Theologie: Neben die Bibel traten Kommentare zu Petrus' Sentenzen, die jeder angehende Theologe beherrschen musste. Auch fasste er, unterstützt von seinen Schülern, als erster das theologische Wissen in einer "Summa" zusammen - wie später der heilige Thomas von Aquin.

Der Lehrstuhl als Mitgift

Im Alter von 50 Jahren trat Alexander dem Franziskanerorden bei. Der Orden brauchte anspruchsvolle Prediger wie den heiligen Antonius von Padua, besonders in den Städten. Alexander von Hales setzte diese Tradition fort. Denn Predigten von Vertretern eines Bettelordens erreichten die Menschen nun einmal besser als nur akademische Lehre. Seine Mitgift in den Orden war sein Lehrstuhl.

Alexander von Hales war es schließlich auch, der das Studium der Franziskaner an Universitäten heimisch machte. Deren Ordensgründer, der heilige Franziskus, hatte als Laie noch Vorbehalte gegen eine wissenschaftliche Theologie. Dabei sollten die Franziskaner die universitäre Lehre später prägen. So sollte auch Alexanders prominentester Schüler, der heilige Bonaventura, den Pariser Lehrstuhl innehaben.

Von Anselm Verbeek (KNA)