Gericht verbietet Holocaust-Schmähung gegen Ärztin Hänel
In dem Zivilprozess der Gießener Ärztin Kristina Hänel (64) gegen den Anti-Abtreibungs-Aktivisten Klaus Günter Annen hat das Landgericht Hamburg am Montag sein Urteil gesprochen. Demnach sind dem Betreiber der Internetseite "babycaust.de" Äußerungen über Hänel untersagt, in denen Schwangerschaftsabbrüche mit dem Holocaust verglichen und gleichgesetzt werden. Die Medizinerin müsse es nicht hinnehmen, mit Wachmannschaften und Ärzten in den Konzentrationslagern der Nazis verglichen und mit dem Ausdruck "entartet" belegt zu werden, hieß es.
Der Seitenbetreiber habe zudem eine Entschädigung in Höhe von 6.000 Euro zu zahlen. Ein entsprechendes Urteil hatte das Gericht bei der Verhandlung am Freitag bereits angekündigt. Annen kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch dagegen einlegen.
Weiterhin lesbar bleiben dürfen nach Angaben von Gerichtssprecher Kai Wantzen Äußerungen, nach denen an Hänels Händen Blut klebe und sie menschenverachtenden Verbrechen begehe. "Das ist eine heftige und verstörende Kritik, die aber als Meinungsäußerung wohl von Frau Hänel hinzunehmen ist."
Annen erschien nach Angaben des Sprechers nicht zur Verhandlung. Sein Anwalt sollte über Video zugeschaltet werden, ging aber nicht ans Telefon. Da es sich um einen Zivilprozess handele, dürfe das Gericht auch entscheiden, ohne den Beklagten gehört zu haben. "Wer gehört werden will, muss kommen", so Wantzen.
Hänel dankbar über Urteil
Hänel begrüßte das Urteil auch im Zusammenhang mit ihrer Kritik am Paragraf 219a des Strafgesetzbuches, der Werbung für Abtreibungen verbietet. "Es geht nicht, dass ein Staat sachliche Informationen von Fachleuten verbietet, die dringend benötigt werden, aber Fehlinformation, Hass und Hetze unter anderem mit unzulässigen Holocaustvergleichen zulässt", erklärte die Klägerin. Sie sei dankbar dafür, dass das Gericht eine deutliche Grenze gezeigt habe.
Die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main nannte den Richterspruch ein "wichtiges Signal". "Wer Schwangerschaftsabbrüche mit der systematischen Verfolgung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus gleichsetzt und Ärztinnen und Ärzte mit faschistischen Mördern, muss gestoppt werden", sagte Direktor Meron Mendel. Zugleich zeigte er sich skeptisch, ob die Entschädigungssumme von 6.000 Euro abschreckende Wirkung erziele. Annen sei schon mehrfach verurteilt worden, habe aber weder jemals gezahlt noch die Hetze gegen Ärzte unterlassen.
Annen organisiert seit Jahren radikale Proteste gegen Frauenärzte und Wissenschaftler und hat auch Hänel bereits mehrfach angezeigt. Auf seiner Internetseite "babycaust.de" veröffentlicht er Listen von Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. In der Vergangenheit hatten sich bereits häufiger Mediziner juristisch gegen Annen gewandt und Recht bekommen.
Hänel war im November 2017 von Abtreibungsgegnern verklagt und vor dem Gießener Amtsgericht zu einer Geldstrafe wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches verurteilt worden, der Werbung für Abtreibungen verbietet. Die Ärztin legte Revision ein und will nach eigenen Angaben bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. (cbr/KNA/epd)