Nach Ordens-Erhebung: DBK will einheitliches Vorgehen bei Missbrauch
Nach der Vorstellung einer Untersuchung zu sexuellem Missbrauch in katholischen Orden dringen die Bischöfe auf ein einheitliches und transparentes Vorgehen in der katholischen Kirche in Deutschland. Betroffene erwarteten "einen einheitlichen Umgang mit diesen Fragen", erklärte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Stephan Ackermann, am Mittwoch in Bonn. Der Bischof von Trier begrüßte die "deutliche Willensbekundung der Orden" zur weiteren Zusammenarbeit mit der Bischofskonferenz, und sicherte seitens der Bischöfe zu, bereits praktizierte Kooperationen "wo immer möglich" fortzusetzen, zu verstärken und auch die Orden zu unterstützen.
Zuvor hatte die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) die Ergebnisse einer Befragung von 392 Ordensgemeinschaften vorgestellt. Daran hatten sich mit 291 Gemeinschaften etwa drei Viertel beteiligt, in denen 88 Prozent der heutigen Ordensmitglieder leben. In den zurückliegenden Jahrzehnten gab es demnach Missbrauchsvorwürfe gegen mindestens 654 Ordensleute sowie 58 Angestellte. Wenigstens 1.412 Kinder, Jugendliche oder Schutzbefohlene waren von sexuellen Übergriffen betroffen.
DOK: Gemeinschaften brauchen Unterstützung bei Finanzierung
Kritiker werfen den Orden vor, eine allgemein nachvollziehbare Aufarbeitung zu verzögern. Anders als die 27 deutschen (Erz-)Bistümer unterscheiden sich Strukturen und Verantwortlichkeiten bei den Orden mitunter erheblich voneinander. Einige werden beispielsweise aus dem Ausland geleitet. Manche Gemeinschaften sind zudem inzwischen so klein, dass sie Schwierigkeiten haben dürften, Entschädigungen zu leisten. Laut DOK-Generalsekretärin Agnesita Dobler streben die Orden bei den Zahlungen an Betroffene in Anerkennung ihres Leids ein einheitliches System zusammen mit der Bischofskonferenz an. Allerdings benötigten die Gemeinschaften Unterstützung bei der Finanzierung. Das Konzept der Bischöfe sieht Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall vor.
Die Ergebnisse der jetzt vorgelegten Umfrage zeigen laut Ackermann eine "ausgeprägte Ungleichzeitigkeit im Umgang mit sexuellem Missbrauch". Viele Ordensgemeinschaften hätten bereits umfangreiche Strukturen zur Aufarbeitung und Prävention etabliert und sich dem Thema gestellt. Es würden aber auch offen Schwachstellen benannt. Ackermann bilanzierte: "Ich bin dankbar für die insgesamt selbstkritische Auswertung der Befragung und denke besonders an die Themen, die uns auch in der Bischofskonferenz beschäftigen: ein noch sensiblerer, verlässlicherer Umgang mit Betroffenen, wie insgesamt eine stärkere Betroffenenbeteiligung in den verschiedenen Prozessen; die Notwendigkeit einer Professionalisierung der Aktenführung; eine flächendeckende Benennung von Ansprechpersonen und die Erstellung von Schutzkonzepten."
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Johannes-Wilhelm Rörig signalisierte der DOK am Mittwoch Unterstützung für einen "strukturierten Aufarbeitungsprozess". Er hoffe zugleich, "dass die DOK dabei zusätzlich starke Unterstützung aus dem Kreis der Orden und Diözesen erhält", sagte Rörig der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Rörig verwies auf die im Juni mit der DBK verabschiedete "Gemeinsame Erklärung", die das Zusammenwirken von Kirchenvertretern, Experten und staatlichen Stellen bei der Aufarbeitung von Missbrauch verbessern soll. Die Orden blieben bei dieser Vereinbarung bisher außen vor. Nun aber sollten die Verhandlungen zu verbindlichen Strukturen, Standards und Kriterien einer umfassenden Aufklärung und unabhängigen Aufarbeitung auch unter Miteinbeziehung der Orden "zügig beginnen", forderte Rörig.
Kritik von Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch"
Kritik kam von der Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch". Viel zu lange hätten sich die meisten Ordensgemeinschaften der Verantwortung verweigert. "Und auch jetzt meinen sie, dass sie alle Zeit der Welt haben, um erst einmal in Gespräche einzutreten, ob und wie sie ihre Geschichte von Gewalt und sexuellem Missbrauch aufklären wollen", erklärte Sprecher Matthias Katsch.
Er forderte, alle Aktenbestände der Ordensgemeinschaften zu sichern und sie den Staatsanwaltschaften zur Verfügung zu stellen, sofern es einen Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch gebe. "Sofern dann eine Verjährung festgestellt ist, was in vielen Fällen zu erwarten ist, müssen die so gesicherten Unterlagen einer baldigst einzurichtenden zentralen Aufarbeitungskommission zugeleitet werden." Keinesfalls dürfe mit Hinweis auf verarmte Gemeinschaften den Opfern eine angemessene Entschädigung verweigert werden, betonte Katsch weiter. Diese müssten sich an den Empfehlungen orientieren, die im vergangenen Jahr für die Bischofskonferenz von Experten entwickelt und vorgelegt worden seien. (tmg/KNA)