Archivfunde zu Kentenich waren nicht Teil des Seligsprechungsprozesses
Die im Juli bekannt gewordenen Dokumente zur apostolischen Visitation des Schönstattwerks waren bislang nicht Teil des Seligsprechungsverfahrens von Josef Kentenich. Das schreibt der Vallendarer Kirchenhistoriker Joachim Schmiedl in der "Herder Korrespondenz" (September-Ausgabe). Demnach waren die Akten zu Vorwürfen geistlichen Missbrauchs sowie eines Falls von sexualisierter Gewalt bisher nicht bekannt. Für die Unterlagen aus der Zeit von Papst Pius XII. (1939–1958) wurde erst im März die Sperrfrist aufgehoben. Laut Schmiedl wurden die betroffenen Dokumente mit der Archivnummer "Dev. V. 1950 n. 4" von der Glaubenskongregation nicht für die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses von Kentenich im Jahr 1975 zur Verfügung gestellt. Die darin enthaltenen Anklagen seien jedoch in von Kentenich selbst verfassten Dokumenten erwähnt worden.
Wenig bekannt sei zudem über den Verlauf der Visitation durch den Jesuitenpater Sebastian Tromp: "Das 'Geheimnis des Heiligen Offiziums' wirkt bis heute nach", so Schmiedl. Das Dekret, mit dem Tromp die Trennung Kentenichs von Schönstatt und die Ausreise in die USA angeordnet hatte, habe keine Begründungen und Anklagen enthalten. Das hätte der Praxis der Vorgängerbehörde der Glaubenskongregation entsprochen: "Maßnahmen wurden getroffen, ohne die beteiligten Parteien (den Angeklagten und seine kirchlichen Obern) angemessen zu informieren", erläutert der Kirchenhistoriker.
Akteneinsicht in Rom bereits geplant
Die Offenlegung der vatikanischen Archive richtet sich nach Pontifikaten. Der weitere Verlauf der Causa Kentenich nach dem Tod Pius XII. im Jahr 1959 kann daher derzeit nicht durch öffentlich zugängliche Aktenbestände nachvollzogen werden. Laut Schmiedl fand bisher seitens Schönstatt keine Einsicht in die von der Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach gefundenen Dokumente statt. In Zusammenarbeit mit dem für das Seligsprechungsverfahren zuständige Bistum Trier seien allerdings dafür bereits Termine vereinbart worden. Der Kirchenhistoriker, der selbst dem Säkularinstitut der Schönstattpatres angehört, spricht sich allerdings gegen einen "medienwirksamen Schnellschuss" aus angesichts der Fülle des "bereits für den Seligsprechungsprozess gesammelten und neu hinzuzufügendenden Materials". Teuffenbach hatte im Juli ihre Auswertung von Archivfunden in einem Artikel in der "Tagespost" öffentlich gemacht und damit eine Debatte zur Neubewertung des Lebenswerks von Kentenich angestoßen.
In einer ersten Reaktion hatte das Generalpräsidium des Schönstattwerks die Vorwürfe zurückgewiesen und als längst bekannt bezeichnet. Insbesondere seien die Vorwürfe für die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses neu geprüft worden. Die daraufhin erteilte Unbedenklichkeitserklärtung ("Nihil obstat") zeige, dass die Vorwürfe entkräftet seien. In einer zweiten Stellungnahme kündigte die Bewegung eine transparente Aufarbeitung aller Vorwürfe an. Zudem kündigte das Bistum Trier an, eine neue Historikerkommission einzurichten, nachdem eine erste ihre Arbeit bereits 2007 abgeschlossen hatte, ohne dass seither der diözesane Teil des Seligsprechungsverfahrens abgeschlossen wurde. Neben der Frage, auf welcher Aktenlage das Nihil obstat zur Aufnahme des Seligsprechungsprozesses basierte sind auch die Umstände der Rückkehr Kentenichs aus den USA nach der ihm angeordneten Trennung von seinem Werk noch unklar. Mittlerweile ist bekannt, dass es kein formales Rehabilitierungsdekret gab. Die bekannten Bestandteile eines Briefwechsels zwischen Kardinal Joseph Ratzinger und dem Generalrektor der Pallottiner, denen Kentenich früher angehörte, legen nahe, dass die Glaubenskongregation ihre Einschätzung Kentenichs nicht geändert hatte. Dagegen hat Schönstatt in einem internen Rundschreiben einen Brief des damaligen Münsteraner Bischofs Joseph Höffner angeführt, demzufolge der Heilige Stuhl einschränkende Bestimmungen gegen Kentenich aufgehoben hätte. (fxn)