Abkommen mit säkularer Miliz unterzeichnet

Islam ist nicht mehr Staatsreligion im Sudan – Proteste befürchtet

Veröffentlicht am 10.09.2020 um 11:14 Uhr – Lesedauer: 

Addis ‐ 30 Jahre lang war der Islam faktisch Staatsreligion im Sudan, strenge Blasphemiegesetze unterdrückten vor allem Christen. Nach dem Sturz des Diktators änderte sich einiges – jetzt wird auch offiziell festgehalten, dass es keine Staatsreligion gibt.

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Der Islam ist im Sudan nicht länger Staatsreligion. Die von Premierminister Abdalla Hamdok und dem Anführer der Miliz SPLM-N, Abdel-Aziz Adam al-Hilu, in der Vorwoche in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba unterzeichnete Absichtserklärung beendet damit nach dreißig Jahren die faktische Stellung des Islams als offizielle Religion. Ein säkularer Staat gehört zu den Forderungen der SPLM-N. "Der Staat darf keine offizielle Religion festlegen. Kein Bürger wird aufgrund seiner Religion diskriminiert", lautet der entsprechende Abschnitt in der Erklärung. "Sudan ist eine multiethnische, multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft. Eine vollwertige Anerkennung und Berücksichtigung dieser Vielfalt muss bekräftigt werden", so das Abkommen weiter.

Der sunnitische Islam, dem die Mehrheit der Sudanesen angehören, war zwar auch bisher nicht offizielle Staatsreligion, seit 1989 wurde er jedoch von der Regierung deutlich privilegiert behandelt, die Scharia ist als Grundlage für die Gesetzgebung in der Verfassung verankert. Der Sudan wurde seit einem Militärputsch 1989 von Präsident Umar al-Baschir autoritär regiert. Zwischen 1999 und 2018 bewertete das US-Außenministerium das Land als "Country of Particular Concern", eine Klassifizierung für Staaten, in denen die Religionsfreiheit besonders bedroht ist. Im April 2019 wurde al-Baschir selbst vom Militär abgesetzt. Seither regiert eine von Militär und ziviler Opposition gebildete Übergangsregierung, die sich nicht mehr auf die Scharia beruft und im Juli die Todesstrafe für Glaubensabfall vom Islam abgeschafft hatte.

Proteste von Islamisten befürchtet

Gegenüber "Voice of America" bewertete der Chefredakteur von "Khartoum Today", der einzigen englischsprachigen Zeitung des Landes, das Abkommen als "großen Schritt nach vorne". Er rechne jedoch damit, dass islamistische Kräfte die Vereinbarung aufgrund der darin festgelegten religiösen Neutralität nicht akzeptieren könnten: "Das ist unter den sechs Prinzipien des Abkommens ein besonders kontroverser Punkt."

Genaue Zahlen zur Religionszugehörigkeit der Sudanesen liegen nicht vor. Die Angaben schwanken zwischen zwei Drittel und über 95 Prozent der Bevölkerung, die dem sunnitischen Islam zugerechnet werden. Christen sind weniger als 5 Prozent der Sudanesen, zumeist Katholiken. Bis zu 25 Prozent der Bevölkerung zählen sich, teilweise auch zusätzlich zu anderen Glaubenszugehörigkeitn, zu den Anhängern ethnischer Religionen. (fxn)