Stabwechsel im Vatikan bekräftigt den Reformkurs des Papstes
Geräuschlos hat sich in der Bischofssynode im Vatikan eine Stabübergabe vollzogen. Am Mittwoch gab Kardinal Lorenzo Baldisseri sein Amt des Generalsekretärs ab. Im gleichen Zug berief Papst Franziskus den maltesischen Bischof Mario Grech. Der Wechsel war seit Oktober 2019 erwartbar. Damals, unmittelbar vor der Amazonas-Synode, machte der Papst Grech zum Pro-Generalsekretär und damit zum designierten Nachfolger Baldisseris. So unaufregend die Personalie ist, mit dem neuen Mann könnte auch neuer Wind in die Leitung der katholischen Kirche kommen.
Als ständige Einrichtung besteht die katholische Bischofssynode seit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965. Üblicherweise alle drei bis vier Jahre auf Ordentlichen Generalversammlungen, dazwischen auch zu besonderen Themen oder Regionen, treffen sich Delegierte der Bischofskonferenzen, Vertreter der römischen Kurie und der Orden sowie vom Papst ernannte Mitglieder zu mehrwöchigen Beratungen in Rom.
Schon bald nach seinem Amtsantritt 2013 machte Franziskus deutlich, dass er diese Versammlungen, die an sich nur beratende Funktion haben, als Instrument der weltweiten bischöflichen Kollegialität stärken will. Baldisseri, im September 2013 zum Generalsekretär ernannt, sorgte mit neuer Organisation und Methodik für einen effizienteren und dialogorientierteren Ablauf.
Franziskus verbreitert Basis der Meinungsbildung
Inhaltlich wagte sich gleich die erste Synode, genauer eine Doppel-Synode zur Familienpastoral 2014 und 2015, an heikle Themen. Die vorsichtige Öffnung gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen, die Franziskus in seinem anschließenden Schreiben "Amoris laetita" vollzog, sorgte für eine bis heute andauernde innerkatholische Kontroverse.
Vorteil für den Papst: Er kann sich bei seinen pastoralen Reformen, die teils empörte Kritik von konservativer Seite hervorrufen, auf Rückhalt im Weltepiskopat stützen. Darüber hinaus verbreiterte Franziskus die Basis der Meinungsbildung. Nach einer Synode zu Jugendfragen 2018 nannte er die Einbeziehung von Nichtklerikern und Jugendlichen vorbildhaft für einen "synodalen Stil" der Kirche. In die Amazonas-Synode 2019 brachten nach Angaben des peruanischen Kardinals Pedro Barreto Jimeno 87.000 Gläubige in vorbereitenden Veranstaltungen vor Ort ihre Anliegen ein.
Der Kurs steht auf mehr Teilhabe an Entscheidungsprozessen. So lautet das Thema des nächsten, coronabedingt auf Oktober 2022 verschobenen Bischofstreffens: "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission".
Es mag sein, dass Baldisseri zuletzt den Schwung des Aufbruchs missen ließ. Während der Synode im vergangenen Herbst wand er sich vor Journalisten, um zu erklären, warum zwar Ordensmänner ohne Priesterweihe, aber noch immer keine Ordensfrauen als stimmberechtigte Mitglieder zugelassen sind. Den Rücktritt Baldisseris akzeptierte Franziskus knapp zwei Wochen vor dessen 80. Geburtstag. Am 29. September hätte der toskanische Kardinal ohnehin seine Ämter verloren.
Nun sitzt Mario Grech am Ruder. Der 63-Jährige Jurist und Kirchenrechtler, seit 2005 Bischof der nordmaltesischen Insel Gozo, zeigte sich verschiedentlich als Mann nach dem Sinn des Papstes. In der Migrationsdebatte verurteilte er Populismus und stellte sich unter anderem hinter die deutschen Seenotretter von Sea-Watch. Während er noch 2011 Christen, die sich für eine gesetzliche Möglichkeit der Ehescheidung in Malta einsetzten, als "Wölfe im Schafspelz" verurteilte, verlangte er 2015 ein kirchliches Zugehen auf homosexuelle Paare.
"Es sind diese Grauzonen, in denen wir suchen müssen"
Die von Grech mitverfassten Leitlinien der maltesischen Kirche zur Kommunionzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen wurden im Januar 2017 in der Vatikan-Zeitung "Osservatore Romano" veröffentlicht – eine Art Empfehlung des Chefs. Vergangenen Juli berief Franziskus ihn in den vatikanischen Ökumene-Rat. Neben Grech ist auch Maltas Erzbischof Charles Scicluna als Experte für Missbrauchsfragen und Beigeordneter Sekretär der Glaubenskongregation in einer vatikanischen Schlüsselposition. Auf beiden Maltesern ruht viel Vertrauen des Papstes.
Als ein Interviewer der Zeitung "Malta Today" ihn 2018 auf das alte Schwarz-Weiß-Denken in der katholischen Kirche ansprach, sagte Grech, er misstraue Priestern und Christen, die meinten, schon alle Antworten zu kennen. "Schwarz und Weiß gibt es weiterhin; aber der Graubereich dazwischen ist gewachsen. Es sind diese Grauzonen, in denen wir suchen müssen." Papst Franziskus hätte es kaum anders gesagt.