Nach Kritik an Synagogen-Besuch: Leiter nimmt Haseloff in Schutz
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, hat Kritik an dem Verhalten von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und anderen prominenten Gästen beim diesjährigen Jom-Kippur-Fest in der Gemeinde zurückgewiesen. Entsprechende Vorwürfe bei Twitter müsse er "ganz entschieden dementieren", sagte Privorozki am Mittwoch auf Anfrage von katholisch.de. Das Fest stand diesmal auch im Zeichen der Erinnerung an den antisemitischen Terroranschlag auf die Synagoge in der Stadt beim Jom-Kippur-Fest im vergangenen Jahr.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde reagierte mit seiner Stellungnahme auf mehrere Tweets der Twitter-Nutzerin Christina Feist aus dem Umfeld der Gemeinde. Diese hatte am Dienstagabend unter anderem gegen Haseloff, Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos), den Opferbeauftragten der Bundesregierung, Edgar Franke (SPD), und eine Journalistin der Deutschen Presse-Agentur (dpa) schwere Vorwürfe erhoben. Diese hätten das Gebet um 12 Uhr – dem Zeitpunkt des Anschlags im vergangenen Jahr – gestört und sich in der Synagoge nicht an vorher abgesprochene Verhaltensregeln gehalten.
Kritik an "PR-Schaustück der christlichen Mehrheitsgesellschaft"
Weiter kritisierte Feist die Ansprachen Haseloffs und eines "christlichen Vertreters", der Abschnitte der Torah-Lesung kommentiert habe. "Ich habe fassungslos und irritiert den Gebetsraum verlassen", schrieb sie unter ihrem Nutzernamen @molussia_anders. Feist kritisierte den Besuch der prominenten Gäste als "PR-Schaustück der christlichen Mehrheitsgesellschaft", bei dem das Attentat instrumentalisiert worden sei.
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Privorozki zeigte sich gegenüber katholisch.de irritiert über die Tweets: "Mit ihren merkwürdigen Äußerungen hat uns Frau Feist einen Bärendienst erwiesen." Er wolle deshalb noch im Laufe des heutigen Tages das Gespräch mit ihr suchen. Feist habe in diesem Jahr als Gast der Gemeinde an Jom Kippur teilgenommen, da sie auch im vergangenen Jahr während des Anschlags in der Gemeinde gewesen sei.
Privorozki: Vorwürfe gegen dpa-Journalistin berechtigt
Der Vorsitzende betonte, dass er selbst die auswärtigen Gäste für 12 Uhr eingeladen habe. Zum einen sei diese Uhrzeit wegen einer Gebetspause für die Ankunft günstig gewesen. "Und zum anderen fand ich es auch ein schönes Zeichen der Solidarität, dass unsere Gäste genau zum Zeitpunkt des Attentats zu uns gekommen sind", so Privorozki. Lediglich mit Blick auf die dpa-Journalistin gab Privorozki der Kritik recht. Die Journalistin sei vorher gebeten worden, im Gebetsraum der Synagoge keine handschriftlichen Notizen zu machen, da dies Juden an Jom Kippur verboten sei. An diese Vorgabe habe sich die Journalistin nicht gehalten. "Darüber war auch ich irritiert, aber ich habe keinen Grund gesehen, das an die große Glocke zu hängen", sagte der Vorsitzende.
Das Versöhnungsfest Jom Kippur ist der höchste jüdische Feiertag und für viele Juden der heiligste Tag im Jahr. Vor rund einem Jahr, als Jom Kippur auf den 9. Oktober fiel, verübte der Attentäter Stephan B. einen Anschlag auf die Synagoge in Halle. Er versuchte mit Sprengsätzen und Schusswaffen in die abgeschlossene Synagoge zu gelangen, um möglichst viele Juden zu töten. Zu dem Zeitpunkt hielten sich dort 52 Gläubige auf. Schließlich erschoss der Attentäter vor der Synagoge eine 40 Jahre alte Passantin und in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss einen 20 Jahre alten Mann. Die Bundesanwaltschaft hat B. wegen Mordes in zwei Fällen, versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten angeklagt. Seit Ende Juli läuft der Prozess vor dem Oberlandesgericht Naumburg. (stz)