Wofür der Vatikan sein Geld ausgibt – und womit er es einnimmt
Vier Jahre lang hat der Vatikan keine Bilanzen und Haushaltspläne vorgelegt. Im Rahmen der Kurienreform hatte Papst Franziskus neue Wirtschafts- und Finanzstrukturen geschaffen, und die mussten erst Fuß fassen. Dann war das federführende Wirtschaftsekretariat seit der Beurlaubung von Kardinal Pell 2017 ohne Leitung. In der Zwischenzeit verdichteten sich Gerüchte über ein enormes Haushaltsloch. Ein Whistleblower prognostizierte dem Heiligen Stuhl sogar aufgrund angeblicher Geheimunterlagen für 2023 den finanziellen Kollaps. Jetzt hat Pells Nachfolger, der spanische Jesuit Juan Antonio Guerrero, endlich die Geheimhaltung und das Rätselraten beendet und aktuelle Zahlen vorgelegt.
Und die zeigen, dass das Haushaltsdefizit der Kurie doch nicht so gewaltig ist wie befürchtet. Sie zeigen, dass der Vatikan seinen Dienst mit einer dünnen Personaldecke und einem äußerst knappen Budget bestreitet. Und dass die allgemeine Wirtschaftslage direkte Auswirkungen auf die Einnahmen und das Budget des Heiligen Stuhls hat.
Wirtschaft der Kirchenleitung wie ein Glashaus
Anders als in früheren Jahren beschränkte sich der Vatikan diesmal nicht auf wenige Eckdaten, sondern nannte ungewöhnlich viele und überraschende Details. Die Wirtschaft der Kirchenleitung müsse gleichsam "ein Glashaus" sein, zitierte Guerrero den früheren Papst Johannes Paul II. "Die Gläubigen haben ein Recht zu erfahren, wie wir die Mittel nutzen".
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Das gesamte Nettovermögen des Vatikans gab der Leiter des Wirtschaftssekretariats, Juan Guerrero, mit rund vier Milliarden Euro an. Er äußerte sich auch zu einer aktuellen Investmentaffäre, bei der der Vatikan womöglich betrogen worden sei.Zum ersten Mal nannte der Vatikan jetzt Zahlen für sein Gesamtvermögen: 1,4 Milliarden für die Römische Kurie und 4 Milliarden für sämtliche Einheiten, einschließlich Vatikanstaat, Pensionsfond, Vatikanbank IOR, Papstspende "Peterspfennig" – ohne letztere freilich näher aufzuschlüsseln. Das Defizit der Kurie, das 2018 noch 75 Millionen Euro betragen hatte, war 2019 auf 11 Millionen geschrumpft. Ausgaben von 318 Millionen Euro standen Einnahmen von 307 Millionen gegenüber. Eine Mini-Bilanz, die niedriger als die vieler amerikanischer Highschools sei, betonte Guerrero. Der Haushalt des Erzbistum Köln ist dreimal höher (900 Millionen Euro).
Jeweils rund 45 Prozent der Ausgaben gehen in die Personalkosten für die rund 3.000 Mitarbeiter der Kurie (137 Mio. Euro) sowie für Verwaltungs- und allgemeine Ausgaben (140 Mio. Euro). Der Rest sind Spenden und Steuern, auch an den italienischen Staat für Immobilien in Rom.
Ausgaben und Einnahmen
Das Gros der Ausgaben (65 Prozent, 207 Mio. Euro) gilt den rund 60 Behörden in der apostolischen Mission des Papstes: den Kongregationen, Dikasterien, kirchlichen Gerichtshöfen, Kommissionen und Akademien. Größter Posten ist das Kommunikations-Dikasterium: Der Papst lässt sich seine Zeitung, seine Medienplattform "Vatican News", sein Radio und das Engagement in sozialen Medien mit 500 Mitarbeitern rund 46 Millionen Euro kosten. Dieser Dienst sei für den Papst und die Kirche von höchster Bedeutung, betonte Guerrero. Denkbar knapp wirken dagegen die Ausgaben von 42,9 Millionen für den diplomatischen Dienst, den der Papst mit Nuntiaturen in über 120 Staaten der Welt unterhält. Es folgt der Etat für die Missionsbehörde mit 22 Millionen und für die vielfach bedrängten Ostkirchen (15,6 Mio.). Die übrigen Kongregationen und Behörden haben ein Jahresbudget zwischen 1 und 3 Millionen Euro: für die Glaubenskongregation sind es 3,3 Mio, den Ökumene-Rat 1,5 Mio, den Dialograt 830.000 Euro.
Neben der kirchlichen Mission des Papstes gehen 66 Millionen Euro an die für Finanz- und Personalangelegenheiten der Kurie zuständige Güterverwaltung APSA. Und weitere 44 Millionen sind für Verwaltung und rund ein Dutzend Dienste zuständig, vom Staatssekretariat (22 Mio), über die Schweizergarde (7,5 Mio) bis zum Wirtschaftsrat (320.000 Euro).
Auf der Einnahmenseite stehen ganz oben die Erträge aus dem Immobilienbesitz des Heiligen Stuhls (99 Mio Euro) und aus seinen Finanzanlagen (65 Mio Euro). Um beide Bereiche kümmert sich die APSA. Dann erhält der Heilige Stuhl rund 44 Millionen Euro an wirtschaftliche Einnahmen, von Katakombenbesuchern (nicht von den Vatikanischen Museen, die unterstehen dem Vatikanstaat), aus dem Bücherverkauf der Vatikandruckerei, von CDs des Medien-Dikasteriums und Universitätsgebühren. Gesunken war unterdessen zuletzt der Beitrag, den die Diözesen der Weltkirche dem Papst schicken (2019 waren es 22 Mio Euro). Und niedriger als früher waren diesmal auch die Zuwendungen anderer Vatikan-Bereiche: vom Governatorat des Vatikanstaats (30 Mio), von der Vatikanbank IOR (12 Mio) und von der "Fabbrica" (1 Mio) für Eintrittskarten in die Nekropole unter dem Petersdom.
Guerrero – der bewusst auf Bischofsweihe und Kardinalsrang verzichtet, um sich später wieder in seinen Orden eingliedern zu können – hatte seinen Dienst zu einem denkbar schwierigen Zeitpunkt angetreten. Wenige Wochen nach seinem Einzug in den Vatikan legte die Corona-Pandemie das öffentliche Leben lahm. Die Besucher in Rom und auch in den vatikanischen Museen blieben aus. Guerrero bezifferte im Mai die erwarteten Mindereinnahmen für den Vatikan 2020 im günstigsten Fall auf 25, bei pessimistischer Prognose auf 45 Prozent. Dann eskalierte in diesen Tagen der verquaste Deal des Staatssekretariats um eine Londoner Immobilie mit dreistelligem Millionenverlust, bei der der Vatikan "betrogen" worden sei. Vor einem Jahr musste deswegen bereits der mächtige Gendarmerie-Chef Giani bei einem übereifrigen Aufklärungsversuch (Steckbrief-Affäre) den Hut nehmen. Vor einer Woche entzog der Papst dann einem der zuvor einflussreichsten Männer des Vatikan, dem früheren Substituten (Innenminister) Angelo Becciu, Kurienamt und Kardinalsrechte. Und keine drei Tage später kehrte jetzt sein früherer Gegenspieler Pell nach Rom zurück. Über den Grund und über seine Mission wird in Rom heftig spekuliert.
Geldflüsse nachvollziehbar machen
Zusammen mit Kardinal Reinhard Marx, dem Koordinator des vatikanischen Wirtschaftsrats, will Guerrero den Kurs der Transparenz und Ausgabenkontrolle fortsetzen und intensivieren. Bereits im vergangenen Juni hatte der Vatikan versucht, die Auftragsvergabe aus der Grauzone von Mauschelei und Vetternwirtschaft zu holen und Arbeiten nur noch nach Ausschreibungen zu vergeben. Mit einem gemeinsamen Brief an alle Kurienchefs hatten Marx und Guerrero auf Bitten des Papstes zudem eine weitere Zentralisierung der Barvermögen und Investitionen eingeleitet. Diese sollten nicht mehr an verschiedenen Stellen sondern zentral verwaltet werden – bei der APSA. Dort sollen alle Behörden ihren Budgetantrag stellen, der dann vom Wirtschaftssekretariat kontrolliert und bewilligt werden muss. Das soll Geldflüsse nachvollziehbar und transparenter zu machen.
Die Präsentation der Kurien-Bilanz 2019 ist freilich nur ein Schritt auf dem Weg zu einer Vereinheitlichung und Überschaubarkeit vatikanischer Finanzen. Nach und nach müssen auch der Vatikanstaat und die übrigen Bereiche, die bislang ihre eigenen Bilanzen erstellten, in den Reformprozess einbezogen werden.