Zulehner: Schwindende Glaubenspraxis kulturell bedingt und unvermeidbar
In Folge der Corona-Pandemie wird die Zahl der Kirchgänger weiter sinken. Das ist laut dem Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner eine der zentralen Erkenntnisse seiner groß angelegten Online-Studie "Gott im Lockdown". Bisherige "Gewohnheitschristen" hätten sich "entwöhnt", sagte Zulehner am Wochenende der "Wiener Zeitung". Wer bislang eher aus Tradition den Gottesdienst besucht habe, werde künftig wegbleiben. "Es kommen noch die, die um der Sache willen hingehen und weniger wegen des Ambientes."
Gefahr der Schrumpfung
Diese schwindende Glaubenspraxis wie auch die anhaltend hohe Zahl an Kirchenaustritten sieht Zulehner als kulturell bedingten, "völlig unvermeidbaren Prozess". Der Wiener Theologe prognostizierte eine künftige Kirche in zwei Erscheinungsformen - als "Beteiligungskirche", die allerdings dadurch in Gefahr sei, "dass sich die Leute so gut kennen, dass Fremde kaum Zugang bekommen"; oder als "Dienstleistungskirche", die virtuelle Angebote ohne persönliches Einbringen mache. Beiden Formen drohe die Gefahr, dass sie mit der Zeit schrumpfen und irgendwann verschwinden. "Vielleicht ist das Zukunftsfähige eine Hybridkirche, die einen aktiven harten Kern zusammenbringt, der niederschwellig gastfreundlich ist. Also eine Beteiligungskirche mit qualitativ hochwertigen Dienstleistungen für Suchende, ergänzt durch die nach wie vor nicht einsehbare Kirche in den Häusern", so Zulehner.
Für die "Lockdown-Studie" wurden bisher mehr als 14.000 Menschen auf allen Kontinenten befragt. Auf der Website www.zulehner.org ist eine Teilnahme weiterhin möglich. Die Ergebnisse sollen im Januar 2021 als Buch erscheinen.
Die Corona-Pandemie hat die Form Gottesdienstfeiern in Kirchen stark verändert. Zeitweilig fanden Heilige Messen vor vollkommen leeren Kirchen statt, etwa um die Osterfeiertage. Gläubige konnten dann nur über Fernsehen oder Livestream dabei sein. Noch heute muss in Gottesdiensten Abstand gehalten werden und das Singen ist je nach Region nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Ältere Menschen, die unter Gottesdienstbesuchern einen überdurchschnittlichen Anteil ausmachen, gehören zu Risikogruppe und sind angehalten, sich vor Ansteckung besonders zu schützen. (gho/KNA)