Bischof Neymeyr: Zu viel Heimatstolz ist gefährlich
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr hat sich gegen eine übertriebene "Heimatbesessenheit" ausgesprochen. Wenn jemand etwa betone, dass er stolz auf die eigene Heimat sei, dann werde es aus seiner Sicht gefährlich, da allein schon dieser Begriff abgrenzend wirke, sagte Neymeyr am Montagabend in Erfurt bei einer Veranstaltung der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt und des Katholischen Forums im Land Thüringen. Der Stolz auf die eigene Heimat werde oft vor allem von Menschen geäußert, "die zu ihrer Heimat nicht viel beigetragen haben – außer dass sie dort herstammen". Neymeyr äußerte sich bei einer Diskussionsrunde mit dem thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) unter dem Titel "Heimat im Umbruch?".
"Katholizismus ist nicht Rüstung, sondern Rückgrat"
Der Bischof erklärte mit Verweis auf den Apostel Paulus, dass Christen eigentlich gewappnet sein müssten gegen ein übertriebenes Heimatverständnis, das ein Gefahrenpotential in sich trage. "Wenn wir dem Apostel Paulus folgen, haben wir als Christen einen anderen Blick auf Heimat. Unsere Heimat ist im Himmel", so Neymeyr. Paulus selbst habe seine Heimat Tarsus verlassen und habe im Himmel sein Sehnsuchtsziel gefunden.
Mit Blick auf die aktuelle Debatte um Reformen in der katholischen Kirche bemängelte Neymeyr, dass manche Menschen meinten, der Katholizismus sei "ein in sich geschlossenes, völlig klar abgerundetes System, zeitlos wahr", und wenn man sich auf dieses System einlasse, könne man immer richtig und gut durch die Weltgeschichte gehen. So verstanden sei der Katholizismus jedoch eine Rüstung, in der man sich nicht bewegen könne. "Aber aus meiner Sicht ist der Katholizismus ein Rückgrat, was mir hilft zu stehen, aber das auch Veränderung und Beweglichkeit zulässt – und was auch immer Veränderung erlebt hat", so der Bischof.
Neymeyr: Das Wesentliche des Glaubens ist unverrückbar – aber...
Es sei Katholiken eigentümlich, dass sie meinten, in der katholischen Kirche bliebe immer alles beim Alten. "Das ist aber nicht so", betonte Neymeyr. Es habe in der Geschichte immer wieder in vielen Bereichen Veränderungen gegeben, auch in der katholischen Lehre. "Die katholische Kirche geht durch die Zeit und ihre Dogmen müssen immer wieder neu bedacht werden, was sie jetzt für diese Zeit mit dieser Begrifflichkeit und dieser Sprache bedeuten – das ist eine ständige Interpretation dessen, was an Glaubensgut der katholischen Kirche mitgegeben wurde", sagte der Erfurter Oberhirte.
"Dass manche Menschen bei Veränderungen die Befürchtung haben, dass ihnen ihre Glaubensheimat genommen wird, kann ich verstehen", so Neymeyr. Er riet jedoch zum genauen Hinsehen. Das Wesentliche des Glaubens sei "natürlich unverrückbar" und doch müsse man sehen, dass sich die Kirche im Laufe der Zeit immer gewandelt habe, weil sie durch eine sich wandelnde Zeit gehe. "Wenn man eine religiöse und geistliche Heimat bewahren will, muss man sie verändern. Sonst bleibt sie stehen und zerfällt irgendwann", unterstrich der Bischof. (stz)