Reaktionen von Marx, Neymeyr und Heinrich zu "Fratelli tutti"

"Mit großer Freude gelesen": Weitere Bischöfe würdigen Enzyklika

Veröffentlicht am 06.10.2020 um 13:55 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Mit unterschiedlichen Perspektiven haben sich weitere deutsche Bischöfe zur päpstlichen Enzyklika "Fratelli tutti" zu Wort gemeldet. Berlins Weihbischof Matthias Heinrich etwa verriet den Teil des Schreibens, den er für den stärksten hält.

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Nach der Veröffentlichung der Papst-Enzyklika "Fratelli tutti" am Sonntag haben sich weitere deutsche Bischöfe zu dem Lehrschreiben zu Wort gemeldet. So würdigte der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr in seiner Reaktion die Impulse des Papstes für den Umgang mit Geflüchteten. "Wir haben für die Flüchtlinge, die aus Not zu uns kommen, eine menschliche Verpflichtung, und deshalb habe ich mit großer Freude die neue Enzyklika von Papst Franziskus gelesen, worin er ja von der politischen Nächstenliebe spricht", sagte Neymeyr am Montagabend in Erfurt bei einer Diskussionsrunde mit dem thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke). Der persönlichen Nächstenliebe müsse auch eine auf der politischen Ebene folgen, um Bedrohten und Verfolgten zu helfen.

Neymeyr betonte weiter, es sei auch beachtlich, dass erstmals in einer päpstlichen Enzyklika ein Großimam erwähnt werde. Papst Franziskus habe ihn bei seinem Besuch Anfang 2019 in den Vereinigten Arabischen Emiraten getroffen und dieser habe ihn sehr beeindruckt. "Wir müssen mithelfen, dass die Religionen die Menschen zusammenführen und nicht auseinanderführen", so der Erfurter Oberhirte.

Marx: Enzyklika lenkt Blick auf das, was alle Menschen bewegt

Kardinal Reinhard Marx, der sich bereits am Sonntag zu dem päpstlichen Schreiben zu Wort gemeldet hatte, rief am Montagabend in der Katholischen Akademie in München dazu auf, in Konsequenz aus der Enzyklika "eine Vision zu entfalten, die alle Menschen mit einschließt, über alle Grenzen hinweg". Das Evangelium habe "die Kraft, immer wieder utopisches Potenzial freizusetzen und die Kirche muss dieses Potenzial immer wieder aufrufen". Mit seiner Enzyklika lenke der Papst den Blick auf das, was alle Menschen bewege: "Kirche ist nicht für sich selbst da, sie ist dafür da, allen Menschen Hoffnung zu geben – vom Evangelium her", so der Kardinal. Sie sei "ein Werkzeug der Einheit aller Menschen". Dafür müsse man sich "auf den Weg der Begegnung" begeben.

Nach den Worten des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck erinnert Papst Franziskus in der Enzyklika daran, "dass wir Menschen grundlegend sozial eingebunden leben und am Fremden wie am Nächsten wachsen". Die Menschheit bestehe nicht aus autarken Individuen, sondern aus geschwisterlich verbundenen Personen mit unveräußerlichen Würde, sagte Overbeck am Dienstag laut Pressemitteilung des Bistums. Darauf baue die sozialethische Kernaussage der Enzyklika auf: Jeder Mensch hat einen Rechtsanspruch auf ein menschenwürdiges Leben. "Diese Tatsache verpflichtet dazu, in interreligiöser Verbundenheit mit möglichst vielen Menschen für eine gerechtere Weltordnung einzutreten, in der Solidarität und Freiheit die bestimmenden Strukturprinzipien sind", so der Essener Oberhirte.

Weihbischof Matthias Heinrich
Bild: ©KNA/Angelika Zinzow

Der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich.

Der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich verwies in einem am Dienstag vorab veröffentlichten Gastbeitrag in der Berliner Boulevardzeitung "B.Z." vor allem auf das in dem Schreiben erwähnte Gleichnis vom barmherzigen Samariter. "Für mich ist das der stärkste Teil eines insgesamt recht langen Textes, weil Papst Franziskus nicht von abstrakten Idealen oder einer 'sozialethischen Moral' schreibt. Wir sollen uns von Leid, Armut und Vereinzelung berühren lassen", schrieb der Weihbischof. Dann komme man auch nicht auf die Idee, einfach weiterzugehen wenn jemand – wie es in dem biblischen Gleichnis geschildert wird – Hilfe brauche.

"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es"

Nächstenliebe unterscheide nicht nach kulturellen, geografischen oder religiösen Unterschieden und sie sei auch kein Privileg für religiöse oder gläubige Menschen. "Im Gleichnis gehen zwei kirchliche Mitarbeiter – würde man vermutlich heute sagen – an dem Schwerverletzten vorbei", schreibt Heinrich. Umgekehrt gelte, was schon Erich Kästner gewusst habe: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" – und zwar ohne Ansehen der Person. "Nächstenliebe ist keine Idee, sondern konkretes Tun", betonte der Berliner Weihbischof in seinem Gastbeitrag. Zuvor hatten sich unter anderem bereits der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und Münsters Bischof Felix Genn zu "Fratelli tutti" zu Wort gemeldet.

In der Enzklika mahnt Papst Franziskus zu einer Abkehr von Egoismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Nur so ließen sich die Folgen der Corona-Pandemie und globale Herausforderungen wie soziale Ungleichheit und Migration bewältigen. In dem 287 Artikel umfassenden Text wirbt der Papst dafür, nach dem Vorbild des heiligen Franziskus andere Menschen unabhängig von Herkunft oder sozialer Zugehörigkeit in freundschaftlicher Offenheit "anzuerkennen, wertzuschätzen und zu lieben". Wer meine, die globalen Probleme nach der Corona-Krise mit den alten Systemen lösen zu können, sei "auf dem Holzweg". (stz)

6.10., 20 Uhr: ergänzt um das Statement von Bischof Overbeck.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes waren die Aussagen des Berliner Weihbischofs Matthias Heinrich fälschlicherweise dem Berliner Erzbischof Heiner Koch zugeordnet worden. Grund dafür war eine falsche Textversion, die uns vorlag. Wir bitten um Entschuldigung.