Standpunkt

Papst Franziskus – Die Luft ist raus

Veröffentlicht am 08.10.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Wie wird Franziskus in die Geschichte eingehen? Nach jetzigem Stand wohl leider nicht als der "Reformpapst", sondern als jener, dessen Pontifikat zu Beginn große Hoffnungen weckte – und am Ende enttäuschte, kommentiert Tobias Glenz.

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Als er 2013 sein Amt antrat, galt er vielen als Hoffnungsträger: Mit seiner unkonventionellen Art avancierte Papst Franziskus schnell zum Liebling der Massen – nicht nur der katholischen. Ein Mann, der bei den Gläubigen große Erwartungen weckte, dass sich in der Kirche (endlich) etwas bewegen könnte. Und sieben Jahre später? Es scheint, als sei aus dem Pontifikat die sprichwörtliche "Luft" raus.

Jüngstes Beispiel dafür ist die neue Enzyklika "Fratelli tutti": Zweifellos behandelt der Papst darin wichtige Fragen der Menschheit, die sich angesichts der Corona-Pandemie teils noch einmal verschärft stellen. Doch seien es Armut und Migration, Umwelt und Klimawandel oder ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionen – zu all diesen Themen hat sich Franziskus bereits dutzende Male geäußert. Als Beleg dafür dürfen die überproportional häufigen Selbstzitationen in der neuen Enzyklika dienen.

Und was ist mit den drängenden innerkirchlichen Fragen? Hierzu bleiben klare Äußerungen des Papstes aus. Auf der einen Seite fordert er Synodalität und eine Stärkung der Ortskirchen. Auf der anderen Seite kommt – wenn denn eine Ortskirche diesen Weg beschreitet – unmittelbar ein "Stoppschild" aus Rom. Die Kirche in Deutschland kann ein Lied davon singen. Man müsse bei Franziskus zwischen den Zeilen lesen, heißt es dann häufig. Doch ein päpstliches Schreiben, das sich so oder so interpretieren lässt, wichtige Fragen in Fußnoten versteckt oder auf Synodenempfehlungen verweist statt selbst Klartext zu sprechen, ist kein gutes Schreiben. Es stiftet Verwirrung und Verunsicherung.

Kann Franziskus die "heißen Eisen" nicht anfassen, weil der innerkirchliche Widerstand zu groß ist? Will er es vielleicht gar nicht, weil er nicht der Reformer ist, den sich die Gläubigen erhofft haben? In weltlichen Fragen kann der Papst nur Mahner sein, in kirchlichen kann er hingegen tatsächlich etwas bewegen. Viele Katholiken hätten sich daher von Franziskus statt "Fratelli tutti" möglicherweise eher ein großes Dokument zur Zukunft der katholischen Kirche gewünscht.

Wie also wird Franziskus einmal in die Geschichte eingehen? Nach jetzigem Stand leider nicht als der "Reformpapst", sondern als jener, dessen Pontifikat zu Beginn große Hoffnungen weckte – und am Ende enttäuschte.

Von Tobias Glenz

Der Autor

Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.