Für einen anderen Blick auf das Katholischsein in der DDR
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30 Jahre nach der Wiedervereinigung mutet das Gedenken doch oft ritualisiert und erstarrt an. Auch in der Kirche wird mitunter mit Schablonen kommuniziert – was die Rolle der Gläubigen und der Institution in der Friedlichen Revolution betrifft und die Unterschiede von Ost und West. Der Tod des wunderbaren Schriftstellers, Brandenburgers und Katholiken Günter de Bruyn ist nun ein guter Anlass, das Gewohnte zu durchbrechen.
Günter der Bruyn ist in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geraten. Völlig zu unrecht. Er könnte auch weiterhin unser Lehrer sein im Begreifen der spezifischen, in der DDR geprägten Lebens- und Denkweisen, in einem behutsamen sich Wiederaneignen eines Verständnisses der preußischen Geschichte, ihrer Gestalten und ihrer Wirkung und auch im Wertschätzen einer katholischen Geschichte östlich der Elbe, die natürlich nicht erst mit der Gründung der DDR begann.
Seinem "Familien-Katholizismus" bescheinigte der am 1. November 1926 in Berlin geborene Günter de Bruyn in einer Rede einmal einen entscheidenden Einfluss auf sein Leben und Erleben der Diktatur. Dieses Katholischsein wirke, so betont er, "in der Diaspora noch viel stärker als in katholischen Gegenden" als Rückhalt bei der eingeübten Staatsdistanzierung. "Dieses Anderssein als die anderen war eine Prägung, die auch in Zeiten des betont atheistischen Staates noch wirkte", erklärte de Bruyn.
De Bruyns Katholizismus war kein Rückzug, kein Fluchtort, sondern war selbstbewusst wie bescheiden und neugierig zugleich. Deswegen lohnt die Beschäftigung mit ihm. Bisweilen hatte er eine Liebe zum Skurrilen und Unangepassten. Sein Roman über Zacharias Werner zeugt von diesem Interesse am Nicht-Geradlinigen und Uneinheitlichen. "Sünder und Heiliger" ist er überschrieben, über eine der "irritierendsten Figuren der preußischen Kulturgeschichte". Seine eigene ungewöhnliche Geschichte verarbeitete er in seinem "Lebensbericht" mit dem Titel "40 Jahre". Zum Einheitsjubiläum eigentlich Pflichtlektüre.
Nun ist de Bruyn verstorben – und seine Bedeutung für das katholische Bewusstsein in der Hauptstadt, Brandenburg und darüber hinaus muss wieder neu entdeckt werden. Vor 30 Jahren wurde die Katholische Akademie in Berlin gegründet. Vor 25 Jahren zog sie in das umgebaute Gebäude an der Hannoverschen Straße 5 ein. Erster Redner am neuen Ort war: Günter de Bruyn. Das wäre doch ein Anlass, die Akademie umzubenennen – oder zumindest den "Seminarraum 3", in dem er der erste Redner war.