Komplexer Schnittpunkt von staatlichem und kirchlichem Recht

Warum auch die Kirche ihre Stellen divers ausschreibt

Veröffentlicht am 09.10.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Selbst die Stelle des DBK-Sekretärs wurde für "m/w/d" ausgeschrieben: Wie passen diverse Stellenanzeigen zur Lehre der Kirche? Ein Motiv könnte sein, Rechtsstreitigkeiten zu umgehen. Dennoch bleiben weitere (kirchen-)juristische Probleme.

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Die deutschlandweite Ausschreibung der Nachfolge von Pater Hans Langendörfer macht deutlich sichtbar, was schon länger gilt: Nicht nur Stellen katholischer Einrichtungen für Hausmeister, Küster, pädagogisches Personal und Referenten, sondern auch die für den künftigen Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz zeigt sich offen für "m/w/d", also für Männer, Frauen und Diverse. Wie passt das zum katholischen Katechismus? Für den kennt die Bibel in ihrem ersten Kapitel nur zwei Geschlechter: "Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau."

Schuld haben mal wieder die Juristen. Im Herbst 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt: "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die geschlechtliche Identität. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen." Diese Menschen dürften nicht diskriminiert werden, das Personenstandsrecht müsse entsprechend geändert werden, so Karlsruhe in dem Urteil, das Bezug zu ähnlichen Vorgaben der Vereinten Nationen, des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie aufweist.

Bistümer gaben Vorgaben an Einrichtungen weiter – still und leise

Ein Jahr später, Ende 2018, setzten Bundestag und Bundesrat dies um. Und still und leise gab in der Folge ein Bistum nach dem anderen über die Amtsblätter die Vorgabe an ihre Einrichtungen weiter – unabhängig von der lehramtlichen Sicht schien niemand das Risiko eingehen zu wollen, Prozesse zu verlieren. Ein weiteres Motiv war vielleicht, dass die Kirche bei einer Nichtübernahme der staatlichen Meldedaten damit hätte rechnen müssen, diese nicht mehr übermittelt zu bekommen.

Teilweise war die Vorgabe in den Amtsblättern mit dem Zusatz versehen, mit der Übernahme der Vorgabe "m/w/d" in Stellenausschreibungen habe die katholische Kirche keineswegs ihre Lehre geändert. Trotzdem können an den Schnittstellen von staatlichem und kirchlichem Recht nun Probleme entstehen. Weil die kirchlichen Personenregister jetzt immer die Namens- und Geschlechtsangaben übernehmen, die die betreffende Person nach staatlichem Recht führt. In einigen Ausführungen der Kirchenregister kann indes nach Auskunft von Experten nur Junge oder Mädchen angekreuzt werden – divers war bei der Ausfertigung der Formulare schlicht nicht bekannt.

Bild: ©Osservatore Romano/Romano Siciliani/KNA (Symbolbild)

Für eine Taufe ist der Eintrag divers grundsätzlich kein Hindernis.

Weil die Taufe in der Kirche den Ausgangspunkt für alle weiteren Personenstandsangelegenheiten darstellt, tun sich noch mehr Schwierigkeiten auf, wenn als divers eingetragene oder nicht einem Geschlecht zugeordnete Kinder später heiraten oder beispielsweise Priester oder Ordensfrau werden wollen. Denn, ähnlich wie Grundbücher, dürfen Eintragungen in den kirchlichen Registern nicht geändert werden. In solchen Fällen, sagen Kirchenjuristen, die sich zu dem Thema sehr sparsam und so gut wie nie öffentlich äußern, könnten nur Einzelfallentscheidungen helfen.

In der Spalte "Bemerkungen" der Kirchenbücher könne später etwa festgehalten werden, dass sich bei einem als divers eingetragen Kind herausgestellt habe, dass es "schon immer" Junge oder Mädchen gewesen sei, sich das aber erst jetzt gezeigt habe. Für eine Taufe ist der Eintrag divers grundsätzlich kein Hindernis. Da war die Kirche schon immer großzügig, weil das Sakrament eine so hervorgehobene Rolle hat.

Kommt es bei Arbeitsverträgen auf das Geschlecht an?

Anders ist es bei Arbeitsverträgen: Hier kommt es aus Sicht von Experten entscheidend nicht auf das Geschlecht, sondern auf die geschuldete Arbeitsleistung an – und auf die Einhaltung der kirchlichen Loyalitätspflichten. Probleme können sich ergeben, wenn Diverse heiraten wollen und sie so gegebenenfalls Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre verletzen, weil sie nach kirchlicher Lehre ebenso wenig ehefähig sind wie Homosexuelle.

Natürlich ist der Personenstand divers kein Thema für Millionen – ganz aus der Welt ist es indes auch in der Kirche nicht. Beim aktuellen Reformprozess Synodaler Weg bezeichnet sich beispielsweise eine Person als divers. Eine allgemeine Maßgabe für den Umgang mit dem dritten Geschlecht aus dem Vatikan gibt es bislang nicht. Dort hieß es zunächst, man solle eine Lösung erst mal auf Ebene der Bischofskonferenz suchen – dort, wo ein staatlicher Gesetzgeber den Kirchenrechtlern das Problem eingebrockt hat. Die deutsche Antwort heißt offenbar: "m/w/d".

Von Michael Jacquemain (KNA)