Kirchenleute, Kaiser und Co.: Von deutschen Spuren in Rom
Italien: Sehnsuchtsland der Deutschen seit Jahrhunderten. Rom: eines der beliebtesten Ziele deutscher Touristen und Pilger. Doch viele Menschen aus dem deutschen Sprachraum waren einst gekommen, um länger zu bleiben: Handwerker, Künstler, Gelehrte, Diplomaten, gekrönte Häupter – und nicht zuletzt Kirchenleute. An allen Ecken und Enden stößt man auf die Spuren, die sie hinterlassen haben. Der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti geht ihnen in einem neuen Buch nach: "Deutsche Spuren in Rom. Spaziergänge durch die Ewige Stadt" lautet der Titel.
"Die italienische Kulturgeschichte ist kaum zu denken ohne deutsche Einflüsse und umgekehrt", betont Ernesti. Seit zwei Jahrtausenden seien die italienische und die germanisch-deutsche Kultur eng miteinander verwoben. "Das wird an keinem anderen Ort so deutlich wie in Rom." Ein starkes Zeichen dieser Verbindung war vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein der Umstand, dass die deutschen Könige auch zu römischen Kaisern gekrönt worden sind.
Krönungsstelle der Kaiser bis heute sichtbar
Ort dieser Zeremonie war bis 1473 der alte Petersdom. Dort befand sich vor dem Papstaltar die Stelle, an der die Päpste den deutschen Königen die Kaiserkrone aufsetzten. Die Platte, die nur die beiden betreten durften, die an der Krönungshandlung teilnahmen, ist auch im "neuen" Petersdom zu sehen, und zwar am Beginn des Längsschiffs hinter dem Hauptportal. Touristen laufen heute weitestgehend unwissend darüber. "Aber auch sonst lassen sich noch viele Spuren aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation in der Petersbasilika entdecken. Mit Otto II. (955-983) liegt ein deutscher Kaiser dort begraben, und mit Leo IX. (reg. 1049-1054) auch ein deutscher Papst. Und bis heute schätzt man bei der Ausleuchtung des Petersdoms deutsche Wertarbeit: die Beleuchtungsanlage stammt von einer bekannten Glühbirnen-Firma aus München.
Der Petersdom ist das steingewordene Zeichen der universalen Macht der Kirche. Acht Deutsche waren als Päpste sozusagen ihre "Hausherren", zuletzt Benedikt XVI. (2005-2013). Als große Baumeister haben sich die mittelalterlichen Kirchenoberhäupter aus deutschen Landen nicht in der Ewigen Stadt verewigt, sondern sich eher durch kirchliche Reformen hervorgetan.
Unweit des Petersdoms entstand im Mittelalter eine regelrechte deutsche Siedlung, der "Borgo". Der Begriff leitet sich vom deutschen Wort "Burg" ab und geht wohl darauf zurück, dass Kaiser Heinrich IV. im 11. Jahrhundert dort eine Befestigung errichten ließ. In den engen Gassen lebten deutsche Handwerker, Gastwirte, Künstler und Mitarbeiter der vatikanischen Kurie. An die deutschen Ursprünge erinnern die Namen zweier Kirchen in dem Viertel, Santo Spirito und San Michele "in Sassia" – denn die Menschen aus Deutschland wurden im Mittelalter in Italien "Sachsen" genannt. Ein letzter "Rest" dieser deutschen Siedlung ist im Schatten des Petersdoms zu sehen, und zwar der Campo Santo Teutonico, der deutsche Friedhof, mit seiner kleinen Kirche und einem angeschlossenen Priesterkolleg.
"Letztes Überbleibsel des Heiligen Römischen Reichs"
Sucht man nach deutschen Spuren in Rom, kommt man nicht an der Kirche "Santa Maria dell’Anima" in der Nähe der Piazza Navona vorbei. "Zusammen mit dem Campo Santo ist sie sozusagen ein letztes Überbleibsel des Heiligen Römischen Reichs", sagt Ernesti: Sie entging nämlich 1803 der Säkularisation. Entstanden ist die "Anima" im 14. Jahrhundert als Pilgerhospiz und entwickelte sich schließlich zur deutschen Nationalkirche in Rom. Ein deutscher Kurat ist für die Seelsorge an den deutschsprachigen Katholiken zuständig, ein Österreicher leitet das zugehörige Studienkolleg. Das Einzugsgebiet von Kirche und Kolleg ist nach wie vor mit den alten Reichsgrenzen bis 1806 identisch. Noch heute erinnert ein Reichsadler auf dem Kirchturm an die Geschichte des Gotteshauses.
Während die Reformation sich in Deutschland zunehmend ausbreitete, gründete Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, 1552 in Rom eine Ausbildungsstätte für Priester: das Collegium Germanicum. Dort, so der Plan, sollte eine klerikale Elite ausgebildet werden, die nach ihrer Rückkehr ins Heilige Römische Reich die katholische Position gegenüber den Reformatoren stärken sollte. Wenig später vereinigte Papst Gregor XIII. es mit dem ungarischen Kolleg und schenkte ihm unter anderem den Palazzo Sant’Apollinare in der Nähe der Piazza Navona mit der zugehörigen Kirche. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens im Jahr 1733 musste das Kolleg zeitweilig schließen und aus seinen Räumlichkeiten ausziehen. Seit dem 19. Jahrhundert hat es seinen Sitz in der Via San Nicola da Tolentino, gegenüber der gleichnamigen armenischen Seminarkirche. In seiner Geschichte hat die Einrichtung zahlreiche Kardinäle, Bischöfe und Priester hervorgebracht. Auch heute studieren noch deutschsprachige Priesteramtskandidaten dort – wenn auch längst nicht mehr so viele wie einst.
In Rom, dem Zentrum der katholischen Kirche, lassen sich auch Spuren des Protestantismus entdecken, die eng mit Deutschland verknüpft sind. Das protestantische Preußen errichtet im 18. Jahrhundert eine Gesandtschaft im Kirchenstaat – erster Gesandter war Wilhelm von Humboldt. Kurz nach dessen Amtszeit kaufte das preußische Königreich das Areal hinter dem Kapitolshügel auf und errichtete dort eine große Gesandtschaft – mit dem ersten protestantischen Gotteshaus im Kirchenstaat. Dort versammelte man sich sonntags zum Gottesdienst. Nach dem Ersten Weltkrieg enteigneten die Italiener das Areal und zerstörten die Kapelle.
Doch schon zuvor hatten die Protestanten in Rom auch offiziell Fuß fassen können. Seit der Staatsgründung 1870 konnten sich nichtkatholische Gemeinschaften in Italien frei betätigen. In Rom wurde daraufhin von 1910 bis 1922 die protestantische Christuskirche errichtet. "Kaiser Wilhelm II. unterstützte den Neubau, da er von der Notwendigkeit einer sichtbaren Präsenz des Luthertums in Rom überzeugt war", erläutert Ernesti. 1983, anlässlich des 500. Geburtstags Martin Luthers, besuchte Papst Johannes Paul II. das Gotteshaus – und betrat damit als erstes katholisches Kirchenoberhaupt in der Geschichte eine evangelische Kirche. Seine Nachfolger, Benedikt XVI. und Franziskus, taten es ihm später gleich.
Viel "deutsche" Kunst in Vatikanischen Museen
Neben "kirchlichen" Spuren kann man in Rom vieles Weitere entdecken, was mit Deutschland und den Deutschen in Verbindung steht. Seit jeher hatte die ewige Stadt eine große Anziehungskraft auf deutsche Künstler. Deren Werke kann man in den zahlreichen Museen der Stadt besichtigen – einige auch in den Vatikanischen Museen. Auch deutsche Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe oder Thomas Mann waren von Rom fasziniert und lebten einige Jahre dort. Auch deren Spuren sind heute noch sichtbar.
Jörg Ernesti gibt zu, dass man die deutschen Reminiszenzen in Rom zwar bewusst suchen muss. Aber sie seien dennoch wichtige Spuren. Es seien zwar nicht die architektonischen Highlights, aber dennoch nicht so abgelegen, "dass sie ohne Relevanz sind". Wer sie entdecken möchte, habe sogar einen Vorteil gegenüber den anderen Rom-Touristen: "Wenn man sie aufsucht, hat man Rom für sich – ohne große Touristenansammlungen." Und das bestimmt auch noch nach der Corona-Pandemie.