"Kurie darf keine Mauer sein"
Frage: Herr Kardinal, was haben Sie dem Papst vorgeschlagen?
Marx: Das kann ich jetzt nicht im Detail öffentlich ausbreiten. Wir beraten den Papst, und er ist frei darin, was er davon annimmt. Wichtig war für uns eine Standortbestimmung auf Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils. Das Konzil wollte mehr Miteinander in der Kirche, mehr Kollegialität der Bischöfe untereinander und mit dem Papst. Beschäftigt hat uns deshalb das Thema Synode, denn Franziskus will ja schon im nächsten Jahr eine Sondersynode einberufen.
Frage: Wie sollte dieses Gremium arbeiten, dass es effizienter wird?
Marx: Aus der ganzen Welt kamen Zuschriften von Bischöfen, die unter anderem auch die Arbeitsweise der Synoden kritisierten. Viele hat der bisherige Ablauf ermüdet und bei ihnen die Haltung gefördert: Einmal ist das ja ganz schön, man lernt die Weltkirche kennen, aber ich muss da nicht unbedingt noch einmal hin. Und das ist ja nicht sehr zufriedenstellend.
Frage: Was sollte sich ändern?
Marx: Das muss sich auf dem Weg entwickeln. Es hat keinen Sinn, jetzt nur eine neue Geschäftsordnung zu schreiben. Die Grundlinien sind klar: Die Synode braucht mehr Interaktion. Die Bischöfe und der Papst müssen stärker miteinander reden anstatt nur Statements abzugeben. Und es wird darum gehen, wie die Synode zu einer permanenten Einrichtung werden kann. Bisher wurden solche Bischofsversammlungen ja nur zu bestimmten Themen oder regionalen Herausforderungen veranstaltet. Ich denke, das neue Synodensekretariat unter Erzbischof Baldisseri wird diese Ideen aufgreifen und dazu konkrete Vorschläge machen.
Frage: Zur Kurienreform. Was muss passieren, dass sich die Pannen der Vergangenheit nicht wiederholen?
Marx: Keine Verwaltung lässt sich völlig pannenfrei organisieren. Aber es reichen auch nicht ein paar kosmetische Änderungen. Wir müssen uns grundsätzlich mit der Kurie beschäftigen. Wozu ist sie da? Sie darf keine Mauer zwischen Papst und Bischöfen sein. Sie hat eine Dienstfunktion für den Papst und die Weltkirche. Die Kurie muss zu einer lernenden Organisation werden. Es braucht einen neuen Geist des Vertrauens zwischen Kurie und Bischöfen, auch ein Klima der offenen Diskussion, um Probleme anzugehen. Dazu müssen sich Mentalitäten ändern, auch bei uns in Deutschland. Und das wird Jahre dauern.
Frage: Hat die Kurie dafür das richtige Personal?
Marx: Es braucht mehr Laien dort, besonders auch Frauen. Und man muss an der Ausbildung dieses Personals arbeiten, damit diese neue Mentalität, das Bewusstsein, Dienstleister zu sein, auch an der Kurie spürbar wird.
Frage: In Ihrer Runde wurde auch über die neue Funktion eines "Kurienmoderators" gesprochen. Sollte das nicht wie bisher der Kardinalstaatssekretär machen?
Marx: Ein Problem war ja, dass in der Vergangenheit der Eindruck entstand: Das Staatssekretariat ist eine Art Superministerium und der Mann an seiner Spitze ein "Vizepapst". Das kann nicht sein. Das Staatssekretariat ist ein Sekretariat des Papstes. Deswegen ist schon das Wort "Staat" in diesem Zusammenhang ein falscher Begriff. Das Sekretariat ist auch kein Kontrollorgan der Dikasterien. Der Papst hat keinen Generalvikar wie ihn ein Diözesanbischof hat. Er spricht mit den Leitern der Ministerien. Und um solche Gespräche und auch die "Kabinettsgespräche" aller Dikasterien zu koordinieren, wäre die Figur eines solchen Moderators schon sinnvoll. Auch da muss man vielleicht experimentieren.
Frage: Inzwischen ist das Staatssekretariat neu besetzt.
Marx: Ja, deswegen sollte man jetzt keine Entscheidungen fällen, sondern abwarten. Der neue Mann muss diesen Weg mitgehen. Das kann zwei Jahre dauern oder auch länger. Eines ist sicher: Der Papst bestimmt die Richtlinien der Kirche, auch in den einzelnen Arbeitsgebieten. Er muss dazu im Bilde sein. Und die Arbeit muss so koordiniert sein, dass nicht an der einen Stelle Dinge getan werden, die dem widersprechen, was woanders längst beschlossen war.
Frage: Ging es nur um organisatorische Fragen? Angeblich sollen auch heiße Eisen zur Sprache gekommen sein, etwa der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.
Marx: Wir haben das kurz erwähnt, aber es kam zu keiner inhaltlichen Debatte. Dazu braucht man mehr Zeit. Die wird es bei der für Oktober 2014 angekündigten Sondersynode geben. Da geht es aber um die Familienseelsorge insgesamt. Wie können wir Menschen ermutigen, Ja zueinander zu sagen? Die Zahl der Eheschließungen nimmt bei uns ja ab. Vielen ist das spezielle katholische Verständnis der Sakramentalität der Ehe nicht bewusst. Und dann gehört natürlich auch dazu: Wie gehen wir mit gescheiterten Beziehungen um? Das ist nicht nur ein Thema für Deutschland, wie manche meinen. Das bewegt viele Bischöfe in der Weltkirche.
Frage: Hat der Vorstoß des Erzbistums Freiburg in dieser Frage eine Lösung eher befördert oder erschwert?
Marx: Naja. Ich hoffe einmal, dass er nicht hinderlich ist. Es ist nie gut, wenn man sich nicht an Absprachen hält. Wir hatten in der Bischofskonferenz vereinbart, zusammenzubleiben und Erzbischof Robert Zollitsch hat ja selber gesagt, dass das mit der Veröffentlichung jetzt nicht so vorgesehen war. Wahrscheinlich gibt es in vielen Bistümern solche Arbeitsgruppen, bei uns in München auch, es gibt verschiedenste Überlegungen und vielfältige Bemühungen. Aber wir müssen doch darauf achten, dass wir uns als Bischöfe in solch wichtigen Fragen miteinander verständigen, wann wir was wo in Gang bringen wollen.
Frage: Seit Tagen beherrscht die Affäre um den Limburger Bischof die Schlagzeilen. Wie kann weiterer Schaden von der Kirche abgewendet werden?
Marx: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hat sich dazu geäußert. Weiteres will ich jetzt nicht dazu sagen.
Das Interview führte Christoph Renzikowski (KNA)