"Ich möchte für meine Kompetenz geschätzt werden"
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Anna Schenck ist Ordensschwester der Congregatio Jesu und Amtsleiterin des Augsburger Bischofs. Mit Blick auf die wieder stark steigenden Infektionszahlen mit dem Coronavirus und auf die Advents- und Weihnachtszeit zeigt sie alternative Möglichkeiten auf, Menschen nah zu sein.
Frage: Es ist etwas Besonderes, dass Sie als Frau in einer solchen Position in einem Bistum tätig sind. Sie leiten jetzt seit dem Sommer das Augsburger Bischofshaus, sind die direkte Frau hinter Bischof Bertram Meier. Wie ist es in dem Amt, in der männerdominierten katholischen Kirchenwelt?
Sr. Anna Schenck (Congregatio Jesu, Amtsleiterin des Augsburger Bischofs): Grundsätzlich freue ich mich sehr, dass mir diese Aufgabe übertragen wurde, Amtsleiterin des Bischofshauses zu werden. Dass sowohl Bischof Bertram mich auf diese Stelle berufen hat als auch, dass der Orden mich auf diese Stelle gesandt hat. Ich kann im Moment einfach nur sagen, dass ich mich freue, dass ich das Gefühl habe, schon gut in meine Aufgaben hineingekommen zu sein, dass mir hier mit sehr viel Wohlwollen und Offenheit begegnet wird. Deshalb fühle ich mich einfach sehr wohl in meiner neuen Aufgabe.
Frage: Macht es denn da einen Unterschied, dass Sie eine Frau sind?
Schenck: Das ist vielleicht etwas Typisches für uns Frauen, dass ich natürlich auch für meine Kompetenz, meine Arbeitsqualität, geschätzt werden möchte. Es ist sicherlich aber immer so, dass wir uns mitbringen mit unserem Geschlecht als Frau und als Mann. Und von daher begegne ich natürlich auch allen Menschen, mit denen ich zu tun habe, als Frau und bringe mich eben so ein wie ich bin.
Frage: Jetzt könnte man auch sagen, Sie haben in gewissem Sinne eine Verantwortung. Sehen Sie sich auch als Vorbild für weitere Entwicklungen in der Kirche oder für andere Frauen?
Schenck: Grundsätzlich ist es so, dass ich in eine Führungsaufgabe berufen und das ja auch mit dem klaren Signal von Bischof Bertram verbunden wurde, dass er Frauen dort, wo es möglich ist, fördern und eben auch in Leitungsaufgaben bringen möchte. Ich hoffe, dass wir in diesem Bereich auch in den kommenden Jahren noch weiter nachziehen können und weitere Frauen in Führung kommen. Daher bin ich auch gerne hier und da Vorbild, wo sich das anbietet.
Frage: Ihre Ewige Profess, das Ordensgelübde, das Sie abgelegt haben, und Ihr Amtsantritt fielen auch in die Corona-Pandemie bzw. den sogenannten Lockdown, den wir im Frühjahr hatten. Wie war das? Und wie betrifft Sie die Situation?
Schenck: Zumindest im Frühjahr und im Sommer hat mich die Situation schon sehr intensiv und sehr stark betroffen. Einfach dadurch, dass wir das Jahr vor den Gelübden auf Lebenszeit, der Ewig Profess, als sogenanntes Terziat haben – als Vorbereitungsjahr oder Vertiefungsjahr. Ich war zu dem Zeitpunkt, als wir in die erste heiße Phase der Corona-Pandemie gelaufen sind, im Libanon. Eigentlich wäre ich in einem sechsmonatigen Aufenthalt für den Jesuitenflüchtlingsdienst im Einsatz für syrische Flüchtlinge gewesen und musste dann quasi innerhalb von 24 Stunden aus dem Libanon ausreisen, weil klar wurde, dass der Flughafen Corona-bedingt geschlossen wird. Corona hat meine Terziatspläne also sehr stark durcheinandergewirbelt und dann auch andere Dinge unmöglich gemacht. Ein Kurs in Spanien, in Manresa, sozusagen an den Quellen des heiligen Ignatius, konnte so nicht stattfinden; deshalb konnte ich auch nicht teilnehmen. Und auch bei der Ewig Profess-Vorbereitung war es natürlich ständig ein Thema: Wie geht das? Mit wie vielen Personen können wir feiern? Können wir singen? Wie viel Abstand müssen wir untereinander halten?
Das hat mich schon sehr unmittelbar betroffen, während ich jetzt hier auch in dieser Sondersituation gestartet bin. Es ist ja bekannt, dass die Bischofsweihe von Bischof Bertram Meier verschoben werden musste, von März auf Anfang Juni. Also, Corona gehört einfach zu meinem Start hier in Augsburg mit dazu. Natürlich ist es auch in der heutigen Situation ein ständiger Begleiter.
Frage: Wie war die Zeit im Libanon für Sie, bevor der Lockdown kam und Sie von dort schnell weg mussten?
Schenck: Für mich war es eine sehr beeindruckende und auch persönlich sehr bereichernde Zeit. Ich war letztlich fünfeinhalb Monate vor Ort. Ich kam im Libanon an und eine Woche später hat am 17. Oktober die sogenannte Saura, die Revolution, begonnen. Das heißt, meine Zeit dort war von Anfang an geprägt von politischen Unruhen, von einer wirtschaftlichen Situation, die sich während meines Aufenthaltes sehr stark verschlechtert hat von Straßensperren bis hin zur Schließung der Schulen. Und ich war mittendrin und dabei, habe Menschen getroffen, die davon sehr betroffen waren und die syrischen Flüchtlinge – sie sind, das kann man sich vorstellen, als letztes Glied in der Kette auch ganz stark von der Situation betroffen.
Ich habe auf der einen Seite sehr viel Lebensfreude und Menschen erlebt, die wirklich versuchen, ihr Leben zu gestalten, und gleichzeitig aber auch eine hohe Betroffenheit von der wirtschaftlichen und politischen Situation. Das hat mich sehr bereichert, da mitten unter den Menschen sein zu dürfen, und auch mein Herz sehr berührt. Bis heute sind mir einige Menschen im Libanon sehr wichtig und bin ich auch weiterhin in Kontakt mit den Leuten vor Ort.
Frage: Genau das wollte ich gerade fragen – und Sie haben es dann auch mit in Ihren Start in das neue Amt genommen ...
Schenck: Oh ja, auf jeden Fall! Die Menschen am Rande, die Menschen in anderen Ländern und auch deren wirklich große Not und politische und wirtschaftliche Situation, die habe ich in meinem Herzen hier mit hineingenommen und darf das hier und da auch einbringen.
Frage: Haben Sie denn, obwohl Sie bei der Ewig Profess-Feier Abstand halten mussten und nicht singen durften, trotzdem ein tolles Fest gehabt?
Schenck: Ich hatte, würde ich sagen, ein berührendes und tiefes Fest. Es kommt natürlich eine Fokussierung auf das Wesentliche. Und das Wesentliche war in diesem Schritt natürlich meine Bindung an den Herrn, an Jesus Christus, in dieser konkreten Gemeinschaft der Congregatio Jesu. Diesen Schritt dann auf Lebenszeit zu machen und das auch öffentlich zu tun, ist der Kern des Festes. Darauf hat sich natürlich auch sehr viel fokussiert. Für mich war das andere aber auch durchaus sehr berührend und bewegend, dass wir auf Grund der sehr begrenzten Teilnehmerzahl vor Ort eine Möglichkeit geschaffen haben, dass sich Menschen, mit denen wir verbunden sind, per Livestream zuschalten konnten. Wir hatten also letztlich eine riesige Gottesdienstgemeinschaft, weil eben auch Menschen im Libanon oder in Nepal, wo meine Mitschwester war, mit uns gefeiert haben; in Frankreich, England, Italien, an verschiedenen Orten. Das war auch wieder sehr berührend, so viele Mitfeiernde und ja, letztlich auch Zeugen dieses Ereignisses, zu haben.
Frage: Jetzt steigen die Zahlen ja wieder, überall wird langsam auch überlegt, wie die Adventszeit und unser Weihnachtsfest dieses Jahr werden. Wie läuft das Glaubensleben bei Ihnen im Bistum Augsburg während oder durch die Corona-Zeit?
Schenck: Es ist sehr schwer, das auf einen Punkt zu bringen, wie das konkret läuft. Ich erlebe es so, dass wir die Möglichkeiten, die jetzt geschaffen wurden, auch Gottesdienste wieder in Anwesenheit von Gläubigen stattfinden zu lassen, an den verschiedenen Stellen gut genutzt wurden, mit sehr klaren Hygienekonzepten, und das Glaubensleben in diesem Sinne wieder aufgenommen wurde. Unser Bischof, aber auch andere, firmen im Moment, also es werden Firmungen nachgeholt, genauso wie Erstkommunionfeiern. Alles natürlich in diesem kleinen und begrenzten Rahmen. Das prägt das kirchliche Leben sehr stark, zumal auch Menschen, die vielleicht sonst zur Kirche gekommen wären, nicht teilnehmen können. Was ich momentan erlebe, ist dieses Spannungsfeld dazwischen, einerseits zu sagen: Weihnachten findet statt, ganz klar – die Inkarnation, Jesus Christus kommt auf die Erde, das ist die Botschaft, die wir dann auf jeden Fall feiern können. Die Ermutigung kam auch von unserem Bischof, dieses in verschiedenen Formen kreativ und vielfältig zu feiern. Dass wir die verschiedenen Möglichkeiten, die jetzt sowohl digital als auch durch kleinere Gruppen, durch unterschiedliche Formate und Angebote entstehen, nutzen, um wirklich Weihnachten zu feiern, nah bei den Menschen zu sein und die Botschaft, die Freude und die Liebe zu transportieren.
Gleichzeitig schauen wir alle im Moment jeden Tag mit Besorgnis auf die steigenden Corona-Zahlen und ist die Situation so, dass sich viele Leute fragen, ob sie es verantworten können, in die Kirche zu gehen. Wie wird das werden? Noch stärker nehme ich im Moment wahr, dass natürlich durch die Einschränkungen im privaten Bereich – dass sich Menschen nur noch in kleinen Kreisen treffen können, dass sie untereinander nicht feiern können, wie sie es gewohnt sind – schon auch eine gewisse Bedrückung da ist. Deshalb sind wir vielleicht auch herausgefordert, trotzdem Nähe zu schaffen, gerade in dieser Situation.
Frage: Haben Sie speziell für das Weihnachtsfest einen Tipp?
Schenck: Für das Weihnachtsfest habe ich zwei Tipps und Botschaften: Ich glaube, im Grunde sind wir – alle Christen – gefordert, zu überlegen, wie ich Menschen nahe sein kann, ohne sie tatsächlich ganz konkret in den Arm nehmen oder mit ihnen gemeinsam Plätzchen essen oder Glühwein trinken zu können. Also wirklich bei ihnen zu sein. Und ich glaube, da haben wir eine Vielfalt von Formaten. Ich selber bin durchaus eine große Weihnachtspost-Schreiberin, was aber im digitalen Zeitalter auch über E-Mails und WhatsApp, aber auch Skype und entsprechende Anrufe geht. Wirklich die Ermutigung, an die Leute, die einsam sind, zu denken und ihnen ein konkretes Zeichen zu geben.
Der zweite Punkt ist, keine Angst zu haben, auch zu den Menschen zu gehen oder für sie zu sorgen, die wirklich am Rande stehen; Menschen, die nicht genug zu Essen haben, möglicherweise kein Obdach haben, auch da nach Möglichkeiten zu suchen und nicht scheu zu sein, bei den Menschen zu bleiben.
Frage: Was bringt Ihnen Hoffnung, was die Kirche und unsere Gesellschaft angeht, in dieser Corona-Krise?
Schenck: Hoffnung gibt mir tatsächlich die relativ harte Tatsache, dass das Spendenaufkommen der Deutschen in den letzten Monaten nicht eingebrochen ist, ganz im Gegenteil. Dass Menschen, die auch durchaus existenzielle oder wirtschaftliche Sorgen haben, nicht nachlassen, auch an die Menschen zu denken – vielleicht auch in der weltweiten Kirche –, die nicht genug haben, finde ich unglaublich beeindruckend. Das ist für mich ein klares Hoffnungszeichen dafür, dass wir – seien wir jetzt Christen oder auch einfach nur Mitbürger – die Menschen nicht aus dem Blick verlieren, denen es nicht so gut geht wie uns. Das lässt mich hoffen, dass wir auch im mitmenschlichen Miteinander Wege finden und auch in unseren Kirchen wieder Brücken schlagen, wo es jetzt vielleicht auch wirklich sehr schwierig war.
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