Schönstatt: Dokumentation von Vorwürfen gegen Kentenich "einseitig"
Die Schönstätter Marienschwestern weisen Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Gründer Josef Kentenich auch nach der Veröffentlichung von belastenden Archivdokumenten weiterhin zurück. In einer Stellungnahme vom Mittwoch werfen sie der Historikerin Alexandra von Teuffenbach vor, bei ihrer Dokumentation von Archivmaterial, darunter unter Eid abgegebene Zeugenaussagen für den Seligsprechungsprozess des Schönstatt-Gründers, eine "offensichtlich einseitige" Auswahl und Interpretation der Dokumente getroffen zu haben. Die Authentizität der von Teuffenbach veröffentlichten Dokumente wird aber nicht bestritten.
Die vom Generaldirektor und der Generaloberin des Säkularinstituts der Schönstätter Marienschwestern, Bernd Biberger und Schwester M. Aleja Slaughter, unterzeichnete Erklärung weist darauf hin, dass "Aussagen – auch wenn sie archiviert sind – […] noch keine Fakten dar[stellen]" und mahnt an, die "Glaubhaftigkeit von Aussagen sowie eventuelle Motive, die zu einer Aussage führten" umfassend zu untersuchen. "Gründliche historische Forschung hat die verschiedenen Aspekte und Sichtweisen sowie den Gesamtkontext zu berücksichtigen, bevor sie zu einer Bewertung kommt", heißt es in der Erklärung. Die im Bautz-Verlag veröffentlichte Teuffenbach-Dokumentation "Vater darf das" lasse diese Arbeitsweise vermissen. Die Marienschwestern seien gemeinsam mit anderen Schönstatt-Gemeinschaften aktiv an einer historischen Aufarbeitung der Dokumente beteiligt. Zur Überprüfung der neuen Dokumentenfunde hat das für das Seligsprechungsverfahren zuständige Bistum Trier eine neue Historikerkommission angekündigt, die allerdings noch nicht eingerichtet wurde.
Beeidete Aussagen aus dem Seligsprechungsverfahren dokumentiert
Teuffenbach hatte mit einer ersten Veröffentlichung im Juli nach Funden in den Unterlagen des apostolischen Visitators Sebastian Tromp, die durch die Öffnung der vatikanischen Archive für die Zeit des Pontifikats von Pius XII. (1939-1958) möglich wurde, Vorwürfe des geistlichen Missbrauchs und sexualisierter Gewalt an Schwestern der von Kentenich gegründeten Gemeinschaft ans Licht gebracht. Die nun erfolgte Veröffentlichung von Briefen und teilweise unter Eid getätigten Aussagen aus dem Seligsprechungsverfahren zeichnet ein Bild systematischen Machtmissbrauchs durch Kentenich durch einen "Vaterkult",zu dem erniedrigende Rituale und die mangelnde Trennung zwischen der Leitung der Gemeinschaft und der seelsorglichen Begleitung ihrer Mitglieder, insbesondere in der Beichte, gehören. Neben dem ausführlich geschilderten Fall von Schwester Georgia Wagner werden Dokumente zu ähnlich gelagerten Vorwürfen von neun weiteren Schwestern vorgelegt.
In der Dokumentation ist auch ein Brief Kentenichs zu den Vorwürfen veröffentlicht. 1948 wendet er sich an die damalige Generaloberin Schwester Anna und nimmt zu den Vorwürfen Schwester Georgias Stellung: "So kann nur ein ganz verdorbenes Geschöpf alles verfärben und raffiniert ins Geschlechtliche zerren oder aber jemand, der vom Teufel besessen ist. Ersteres trifft nicht zu. Bleibt also nur das letztere", so der Brief, der die Schilderungen der Schwester als "zusammengedichtet" bezeichnet. (fxn)