Klerikalismus und Liturgie: Wie Gottesdienst und Macht zusammenhängen
Wer einen christlichen Gottesdienst besucht, unterwirft sich zwangsläufig Strukturen: Während die meisten zivil gekleidet erscheinen, tragen andere bunte Gewänder; die große Masse sitzt in den Bänken, eine kleine Minderheit erhöht und gut für alle sichtbar im Altarraum. All das bezeugt - auch - Macht.
Ackermann: Macht ist "etwas höchst Ambivalentes"
Im Rahmen des katholischen Reformprozesses Synodaler Weg befassten sich am Mittwoch und Donnerstag einige Hundert Teilnehmer online mit "Gottesdienst und Macht - Klerikalismus in der Liturgie". Schon in seiner Einleitung machte der Vorsitzende der Liturgiekommission der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, deutlich, dass Macht "etwas höchst Ambivalentes" sei. Dem Können und Dürfen der einen stehe das Nicht-Können und Nicht-Dürfen der anderen gegenüber. Machtfragen beträfen "alle Bereiche unseres Lebens, damit auch den Bereich des Glaubens, der Kirche und der Liturgie". Wer etwas vom Handeln und Interagieren von Menschen begreifen wolle, käme niemals daran vorbei, die Machtrealitäten wahrzunehmen.
Für den Münchner Soziologen Armin Nassehi ist Liturgie immer asymmetrisch. Aber die priesterliche Macht im Gottesdienst entspringe einer wechselseitigen Beziehung und sei niemals einseitig. Wer, soziologisch betrachtet, in der Messfeier die Publikumsrolle einnehme, akzeptiere sie damit. Diese Rollenverteilung sei indes heute "nicht mehr so anschlussfähig wie noch vor zwei Generationen". Auf solche Probleme könnten Institutionen wie die Kirche immer auf zwei Arten reagieren: indem sie ihre eigene Struktur zu verfestigen suchten oder indem sie sich für Neues öffneten.
Die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop forderte von ihrer Kirche einen "anderen, rechtschaffenen und evangeliumsgemäßen Umgang mit Macht", der Schwache stark mache und der Willkür der Mächtigen Grenzen setze. Zwar gehörten Unterschiede "zum heiligen Spiel" der Liturgie, aber die Frage sei, "ob die Unterschiede stimmen". Erbittert verteidige die Kirche, dass alle zentralen Handlungen in der Liturgie durch die Priesterweihe legitimiert seien: "Das sind wir gewohnt. Das finden wir normal. Aber es ist weder selbstverständlich noch alternativlos, wenn man sich vor Augen führt, dass alle Gläubigen durch Taufe und Firmung zu einem heiligen Priestertum geweiht wurden."
Laien seien "wie die Kleriker liturgische Subjekte, nicht Rezipienten", so Knop. Der Corona-Lockdown im Frühjahr machte aus ihrer Sicht besonders deutlich, dass "Liturgie wieder Klerikerliturgie" gewesen sei. Die Katholiken seien am Bildschirm zu "Außenstehenden und stummen Zuschauern" priesterlichen Handelns geworden. Ihr Fazit: Kirchenrecht, Raumsymbolik und Amtstheologie gäben der Liturgie eine "amtliche, ständische und männliche Gestalt".
Linktipp: Liturgie – ein Fremdkörper?
Es ist paradox: Der Gottesdienst soll Höhepunkt des kirchlichen Tuns sein – und doch besuchen ihn immer weniger Christen. Liegt das allein an der Säkularisierung – oder auch an der Qualität der Liturgie?
Bei einem Rundgespräch gaben Kulturschaffende ihren persönlichen Blick auf die Liturgie der katholischen Kirche preis. Die Lyrikerin Nora Gomringer, der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, der Dramaturg Ulrich Khuon, und die Intendantin des Berliner Staatsballetts, Christiane Theobald, diskutierten dabei über ihre Wahrnehmung des Heiligen Spiels - zum Beispiel im Vatikan. Sie sprachen über die höfischen Inszenierungen, wie es sie noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Rom gab, bis zu den Bildern des einsamen Franziskus beim Kreuzweg 2020.
Wie Frauen stärker beteiligen?
Zum Schluss dieser Runde durften die Kulturschaffenden Empfehlungen aussprechen. Gomringer forderte "mutige Priester", die ihre Rolle als Kommunikatoren wahrnehmen. Sie sollten auch Persönliches in die Liturgie einbinden. Auch Khuon will Priester, die sich "von der Angst verabschieden" und mehr Freiheit und Beteiligung zulassen. Wichtig sei, nach "neuen Gesten" zu suchen. Theobald möchte Geistliche, die Gemeinden und Menschen spüren könnten; sie müssten jeweils "die momentane Situation wahrnehmen" können und Liturgie persönlich gestalten. Beibehalten werden muss nach ihrer Ansicht die Vielzahl liturgischer Formate - "einschließlich der großen".
Ein Schwerpunkt des zweiten Konferenztages bildete die Frage, wie es künftig um eine Beteiligung von Frauen bei Gottesdiensten und letzten Endes eine Zulassung von Frauen zum Priesteramt steht. Ein solcher Schritt allein löse nicht automatisch alle Probleme, sagte die Münchner Pastoralreferentin Judith Müller. Über Macht und Ämter definiere sich zwangsläufig jede Gemeinschaft. Wichtig sei es, die jeweiligen Zuordnungen immer neu zu hinterfragen. "Und da müssen wir aus den binären Aufteilungen herauskommen wie Priester und Laien, Frauen und Männer."