Proteste nach Abtreibungsurteil dauern weiter an

Polen: Priester bedroht Demonstrantinnen mit Waffe

Veröffentlicht am 30.10.2020 um 12:07 Uhr – Lesedauer: 

Czernikowo ‐ Nach dem fast vollständigen Verbot von Abtreibungen in Polen dauern die Proteste gegen Regierung und Kirche weiterhin an. In einem Dorf bedrohte jetzt ein Priester Demonstrantinnen und die Polizei – mit einer Waffe in der Hand.

  • Teilen:

In Polen hat ein Priester Demonstrantinnen mit einer Waffe bedroht, die am Frauenstreik teilgenommen haben. Der 53-jährige Geistliche sei am Mittwochabend mit der Waffe in der Hand aus dem Pfarrhaus im Ort Czernikowo nahe Torun im Zentrum des Landes getreten, als der Protest daran vorbeizog, berichtete "Radio Zet" am Donnerstag. Dabei habe er sowohl Teilnehmer des Protests als auch Polizeibeamte bedroht.

Die Polizei nahm den Priester laut Medienbericht fest und stellte sechs Waffen, hauptsächlich zur Jagd, bei ihm sicher. Nach ersten Erkenntnissen der Beamten sei der Geistliche auch Jäger. Ihm drohe nun ein Verfahren wegen Bedrohung.

In der vergangenen Woche hatte das polnische Verfassungsgericht entschieden, dass künftig Schwangerschaftsabbrüche auch bei einer schwerwiegenden Fehlbildung des Fötus unzulässig sind. Abtreibungen sind damit lediglich legal, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist oder die Schwangerschaft aus einer Straftat hervorgeht. Seitdem kommt es in Polen landesweit zu massiven Straßenprotesten gegen die nationalkonservative Regierungspartei "PiS" und die katholische Kirche.

Vorwürfe an die Kirche

Unter anderem hatten Aktivisten am Wochenende mehrere Gottesdienste gestört. Auch wurden Gotteshäuser mit Parolen beschmiert und ein Denkmal von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) in einer Kleinstadt beschmiert. Frauenrechtsgruppen hatten unter dem Motto "Das Wort zum Sonntag" dazu aufgerufen, Widerstand gegen die Gesetzesverschärfung in die Kirchen zu tragen. Sie werfen der Kirche vor, maßgeblich zu dem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts beigetragen zu haben.

Jaroslaw Kaczynski
Bild: ©picture alliance/PAP

Jaroslaw Kaczynski ist Vorsitzender der polnischen Partei PiS ("Recht und Gerechtigkeit").

Am Mittwoch verteidigte "PiS"-Vorsitzender und Vizeregierungschef Jaroslaw Kaczynski das Urteil zum fast völligen Abtreibungsverbot. Die Verfassung lasse kein anderes Urteil zu, sagte er und rief alle Mitglieder und Sympathisanten der Partei auf, die katholische Kirche vor Angriffen und Demonstranten zu schützen. Zuvor kündigten ultrarechte Gruppen die Gründung einer "Nationalwache" zum Schutz der katholischen Kirche an.

Bischöfe besorgt

Die polnischen Bischöfe zeigten sich hinsichtlich der Proteste besorgt. "Wir beobachten mit großem Schmerz die Eskalation von sozialen Spannungen und Aggressionen", hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme des Ständigen Rates der polnischen Bischofskonferenz. Die Oberhirten beklagten unter anderem eine vulgäre Sprache einiger Demonstrantinnen, eine "Verwüstung von Kirchen", die Entweihung heiliger Stätten sowie die Verhinderung von Gottesdiensten und riefen zu einem sachlichen gesellschaftlichen Dialog ohne Gewalt auf.

Am Freitag sprach sich hingegen der Dominikanerpater Pawel Guzynski für eine Entschuldigung der Bischöfe aus. Die Menschen beschwerten sich zu Recht, da die Kirche einen Fehler gemacht habe und die Situation indirekt provoziert hätte, sagte er dem Nachrichtensender "TVN24". (mpl)