Neuerungen bei Bischofsernennungen gefordert

Jesuit Zollner: McCarrick-Bericht muss Konsequenzen für Bischöfe haben

Veröffentlicht am 11.11.2020 um 13:39 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Der lang erwartete Bericht über den Missbrauchstäter und Ex-Kardinal McCarrick ruft in der Kirche Bestürzung hervor. Kinderschutz-Experte Hans Zollner fordert nun Konsequenzen aus der Untersuchung: Die Auswahl von Bischöfen müsse gründlicher werden.

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Der deutsche Jesuit und Vatikan-Kinderschutzexperte Hans Zollner hat die Kirche aufgefordert, Konsequenzen aus dem am Dienstag veröffentlichen McCarrick-Bericht zu ziehen. Die Untersuchung zum kirchlichen Werdegang des ehemaligen Washingtoner Erzbischofs Theodore McCarrick habe gezeigt, dass das Verfahren zur Auswahl von Bischofskandidaten "gründlicher" sein müsse, sagte Zollner dem US-Nachrichtenportal "Crux" am Mittwoch. Zur Eignung künftiger Bischöfe sollten nicht nur Personen aus dem "klerikalen Kontext" und kirchliche "Insider" befragt werden, so Zollner. "Man braucht solche, die ihren Rat aus einer anderen Perspektive heraus geben können; das ist notwendig und trägt letztlich hilfreich zum Erfolg des Dienstes bei."

Der in den USA bereits seit langem erwartete McCarrick-Bericht zeigt auf, dass der inzwischen aus dem Klerikerstand entlassene Ex-Kardinal trotz Anschuldigungen über sexuelles Fehlverhalten, von denen mehrere Bischöfe wussten, in der Kirche Karriere machen konnte. Die vom Vatikan nun durchgeführte Untersuchung sei daher ein "gutes Beispiel dafür, wie ernst die ganze Thematik der Vertuschung, des Leugnens, der Nicht-Befolgung von Regeln und der Unehrlichkeit behandelt werden sollte", so Zollner zum Missbrauch in der Kirche.  

Zudem bekräftigte der Jesuit, dass er von den staatlichen Ermittlungsbehörden erwarte, Missbrauchsanschuldigungen nachzugehen, egal ob sie einen "Politiker, einen berühmten Star oder einen Kirchenführer" betreffen würden. Der nun veröffentlichte Bericht führt an, dass McCarrick anonyme Briefe mit Anschuldigungen an die amerikanische Bundespolizei FBI weitergeleitet habe. Die Behörde bezeichnete er demnach als "unsere Freunde". Es sei unklar, ob die Polizei den Behauptungen der Schreiben nachgegangen sei.

Hans Zollner ist Leiter des Kinderschutzzentrums an der päpstlichen Universität Gregoriana.
Bild: ©Paolo Galosi/Romano Siciliani/KNA

Hans Zollner ist Leiter des Kinderschutz-Zentrums an der päpstlichen Universität Gregoriana und Mitglied der päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen.

Der Leiter des Zentrums für Kinderschutz an der päpstlichen Gregoriana-Universität geht weiter davon aus, dass weitere Berichte dieser Art folgen werden. Er erwarte, dass "in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren" ähnliche Fälle von Missbrauch öffentlich werden könnten, so Zollner. Im Vatikan sei "die Tür nun offen" dafür, "bei ähnlichen Fällen eine ähnliche Vorgehensweise zu wählen". Dabei habe er jedoch keine Länder im Besonderen im Blick.  

Nach der Veröffentlichung des Berichts hatten laut "Crux" Missbrauchsopfer in Chile die Vorlage der Ergebnisse des päpstlichen Sonderbeauftragten Erzbischof Charles Scicluna zum Missbrauchsskandal in dem südamerikanischen Land verlangt, den dieser nach einer Untersuchung im Jahr 2018 angefertigt hatte. Zollner hält es nicht für wahrscheinlich, dass diesem Anliegen stattgegeben wird: Die Anforderungen an den McCarrick-Bericht seien "von Anfang an klar definiert gewesen", da eine Veröffentlichung vorgesehen war. Bei anderen Untersuchungen, wie der in Chile, sei dies nicht der Fall gewesen. Deshalb sei nicht mit einer Veröffentlichung von früheren Berichten zu rechnen.

Unterdessen hat Papst Franziskus seinen Willen zum Kampf gegen Missbrauch in der Kirche bekräftigt. "Ich erneuere meine Nähe zu den Opfern jeden Missbrauchs und den Einsatz der Kirche, um dieses Übel auszurotten", sagte das Kirchenoberhaupt am Mittwoch in seiner wöchentlichen Videobotschaft aus dem Vatikan. Der Fall McCarrick sei besonders "schmerzhaft". Auch der Bostoner Kardinal Sean Patrick O'Malley bezeichnete den Bericht als "schmerzhafte und beschämende Bestandaufnahme darüber, wie jemand in McCarricks Position zum Bischof und Kardinal aufstieg und so vielen Menschen so viel Leid antat". Der Leiter der päpstlichen Kinderschutzkommission forderte in einem am Dienstag auf der Homepage seiner Erzdiözese veröffentlichten Statement zudem von der Kirche, mehr Transparenz im Umgang mit Missbrauchsfällen zu zeigen. "Alle Überlebenden, die mutig vorgetreten sind und die Kirche gezwungen haben, sich den von Geistlichen, Ordensleuten und anderem Personal begangenen Verbrechen zu stellen, verdienen unsere Fürsorge, Unterstützung und Ehrlichkeit." (rom)