Demonstranten vor Bischofsresidenz fordern "Krakau dziwiszfrei"

Politiker: Kardinal Dziwisz ist "Betrüger mit doppeltem Gesicht"

Veröffentlicht am 12.11.2020 um 11:04 Uhr – Lesedauer: 

Warschau ‐ Die Kritik an Kardinal Stanislaw Dziwisz wird schärfer: Ein Politiker nannte ihn jetzt einen "Betrüger und Menschen mit doppelten Gesicht" und beklagte einen "Sittenverfall" in Polens Kirche. Derweil zogen Demonstranten zu Krakaus Bischofsresidenz.

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In Polen wird die Kritik am Krakauer Kardinal und ehemaligen Papstsekretär Stanislaw Dziwisz lauter. Der Abgeordnete Bartlomiej Sienkiewicz nannte den 81-Jährigen am Mittwoch einen "Betrüger und Menschen mit doppelten Gesicht". Dziwisz habe Missbrauchstäter geschützt und seine Hilfeleistung verheimlicht, so der Politiker der liberalen Oppositionspartei Bürgerplattform im Privatsender Radio Zet. Der Vatikan sei "zerfressen von Korruption und sexueller Leidenschaft", schimpfte Sienkiewicz. Auch in Polens katholischer Kirche gebe es einen "Sittenverfall".

Gegen Dziwisz demonstrierten am Dienstagabend in Krakau laut polnischen Medien rund 100 Menschen vor der Bischofsresidenz und der ebenfalls in der Altstadt gelegenen Wohnung des Kardinals. Dem Online-Portal Onet zufolge skandierten sie "Krakau dziwiszfrei", "Schande" und "jagt Bischöfe, nicht Bürger".

TV-Reportage als Anlass für Proteste

Anlass war die Reportage "Don Stanislao - Das andere Gesicht von Kardinal Dziwisz" des Nachrichtensenders TVN24 von Montagabend. Darin wurde der 81-Jährige beschuldigt, Hinweise auf sexuellen Kindesmissbrauch ignoriert und vertuscht zu haben. Der US-Amerikaner James Grein sagte in der Sendung, der 2019 aus dem Klerikerstand entlassene Ex-Kardinal Theodore McCarrick (90) habe 1988 für eine Privataudienz mit Papst Johannes Paul II. (1978-2005) 10.000 Dollar an Dziwisz gezahlt. Grein wurde nach eigenen Angaben seit seinem elften Lebensjahr über fast ein Vierteljahrhundert von McCarrick sexuell missbraucht. Bei der gemeinsamen Papstaudienz im Juli 1988 habe er McCarrick, damals Erzbischof von Newark, entlasten sollen.

Dziwisz war während des gesamten Pontifikats von Johannes Paul II. dessen Privatsekretär und anschließend bis 2016 Erzbischof von Krakau, dem vormaligen Bischofssitz von Karol Wojtyla. Am Dienstag veröffentlichte der Vatikan einen Untersuchungsbericht zum Fall McCarrick. Demnach beteuerte McCarrick in einem persönlichen Brief an Dziwisz im August 2000, "niemals sexuelle Beziehungen mit einer Person – Mann oder Frau, jung oder alt, Kleriker oder Laie" gehabt zu haben. Johannes Paul II., der den Brief an Dziwisz las, habe McCarrick geglaubt. Dies, so der Bericht, sei auch dem Umstand geschuldet, dass der Papst aus seiner Zeit in Polen viele Fälle von Verleumdungen gegen Kleriker kannte.

Der heutige Krakauer Erzbischof Marek Jedraszewski warnte am Mittwoch bei einer Messe zum polnischen Nationalfeiertag in der Wawel-Kathedrale vor "Versuchen, in Polen eine antichristliche, neomarxistische Kultur einzuführen". Zu den Vorwürfen gegen Dziwisz äußerte er sich bislang nicht.

Dziwisz hatte am Montagabend erneut eine unabhängige Untersuchungskommission zu den Anschuldigungen vorgeschlagen. "Ich möchte eine transparente Aufklärung dieser Fragen", so der Kardinal in einer schriftlichen Erklärung. In der TV-Reportage wies er alle Vorwürfe zurück. Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, sagte, er hoffe, dass alle in der Sendung angeführten Fragen durch eine Vatikan-Kommission geklärt werden. (tmg/KNA)