Ein Tag, zwei Päpste
Seit fast 800 Jahren gab es keine zwei gleichzeitig lebenden Päpste mehr. Und dann fahren gut 30 junge Kirchenchorsänger in die Ewige Stadt und treffen beide Päpste - den einen in Privataudienz vor dessen Haus, den anderen zusammen mit Zehntausenden bei der wöchentlichen Generalaudienz.
Zunächst die Begegnung am frühen Dienstagabend mit Benedikt: Mit kleinen Schritten und gestützt auf einen Stock tritt der 86-Jährige aus seinem Altersruhesitz ins Freie. Gebrechlich wirkt er, aber hellwach. Schon nach den ersten Takten der Motette "Tu es Petrus" ist ihm die Rührung anzusehen. Der Musikliebhaber bekommt feuchte Augen, als er die Klänge des Chores aus seiner Heimat hört.
Alte Freunde
Vor allem, als die "Capella Vocale" ein Werk seines Bruders Georg Ratzinger singt. Der fast 90-Jährige war 30 Jahre lang Domkapellmeister in Regensburg und Leiter der weltberühmten Domspatzen. Er besucht seinen Bruder regelmäßig in Rom. "Das hätte ihm auch gefallen", sagt Benedikt zu Chorleiter Rainer Schütz.
Entspannt hört er danach ein Fischerlied vom Chiemsee. Am Ende des gut halbstündigen Ständchens applaudiert Joseph Ratzinger. "Weiß sind Sie geworden", sagt er verschmitzt lächelnd mit Blick auf die Haarfarbe des Dirigenten, den er seit langem kennt. Schütz war zeitweise die rechte Hand des Papst-Bruders in Regensburg. Benedikt lobt den Chor für den guten Gesang. Ein Sänger überreicht ein von ihm gefertigtes Gemälde von der Priener Pfarrkirche.
Nach einer Zugabe stellt sich der Papst zum Gruppenfoto mit allen Sängern, ehe er den Segen spendet und dankbar grüßend mit Trippelschritten wieder in seine Wohnung zurückgeht - Ende des Besuchs aus der Heimat für den aus Bayern stammenden Papst und Ende einer melancholischen Begegnung.
Zwei Welten
Volles Kontrastprogramm am Mittwochvormittag: Volksfeststimmung auf dem Petersplatz, Francesco-Rufe, als der Papst eintrifft, hysterisches Kreischen, als er im weißen Papamobil an den Menschenmassen vorbeifährt. Der Papst-Sekretär Georg Gänswein hat der "Capella Vocale" Plätze keine 50 Meter vom Stuhl des Papstes entfernt organisiert. Die "jungen Wilden" des Chores - Anna, Paula, Johannes und Serafin im Alter von 11 bis 13 Jahren - hören, wie Franziskus erklärt, zum Glaubensbekenntnis gehöre auch, den Menschen die Liebe Gottes mitzuteilen.
Sie verstehen die Worte nicht so recht. Aber sie spüren den Unterschied zwischen den beiden Begegnungen. "Mir hat das gestrige Treffen besser gefallen, weil ich dem Papst persönlich begegnet bin", sagt Paula. Stolz zeigt sie aber zugleich das Foto, das sie auf ihrem Handy vom vorbeifahrenden Papst Franziskus gemacht hat. Auch Anna fand es "gestern spannender". Serafin bedauert, "dass ich bei der großen Audienz nicht alles mitbekommen habe". Und Johannes meint: "Gestern war es viel ruhiger, ich habe den Papst viel näher gesehen." Chorleiter Schütz sucht das Gemeinsame der beiden Begegnungen: "Das sind zwei Welten, die sich gerade zu verbinden versuchen."
Von Paul Winterer (dpa)